Probleme und Chancen im deutsch-tschechischen Verhältnis

Auf dem Heiligenhof  fanden sich Deutsche und Tschechen zur Tagung „Rückblendungen und Vergegenwärtigungen im deutsch-tschechischen Verhältnis“ (13.-18. Oktober 2013) zusammen. Das Ergebnis machte Hoffnung.

Bildungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen

Bildungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen

Die Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen ist für seine Bemühungen um die deutsch-tschechische Verständigung bekannt. Jährlich treffen sich hier Deutsche und Tschechen, um in angenehmer Atmosphäre ihr Wissen übereinander zu erweitern und aktuelle Themen zu diskutieren. Neun in Wissenschaft und Praxis der Völkerverständigung erfahrene Referenten informierten diesmal wieder ein großes Publikum zu grundlegenden wie tagespolitischen Fragen im Verhältnis der beiden Nachbarn. Erfreulich war die Teilnahme zahlreicher tschechischer Germanistik- und Geschichtsstudenten aus Pardubice|Pardubitz und Brünn|Brno. Denn es ist diese Jugend, die das nachbarschaftliche Verhältnis in der Zukunft gestalten wird. Dabei kann Wissen nicht schaden.

Kulturelles Gedächtnis

Das Verhältnis der Völker wird nicht unmaßgeblich durch ihre Erinnerung geprägt. Leider stimmt dieses historische Gedächtnis auf beiden Seiten nicht immer überein. Das gilt insbesonders für Völker, die sich in der Vergangenheit schweres Leid zugefügt haben. Wer persönlich Leid erlebt hat, betont seine eigene Opferrolle. Das Leid des anderen wird dagegen als selbstverschuldet angesehen. Jeder lehnt Kollektivschuld für sich selbst ab, schreibt sie aber dem anderen bedenken- oder gedankenlos zu. „Die Tschechen“ – „die Deutschen“: das sind klischeehafte, vorurteilsbeladene Stereotype über den Charakter und die historischen Taten des Nachbarn.

Dr. Udo Metzinger

Dr. Udo Metzinger

Man löst Stereotype und zweifelhafte Erinnerungen am besten auf, indem man ihren psychologischen Mechanismus und ihre politische Instrumentalisierung enthüllt. Udo Metzinger, Publizist und wissenschaftlicher Dozent aus Offenbach, referierte dazu über „Transformation der Erinnerung, oder: Was prägt unser politisches Gedächtnis?“ Er verwies dabei  auf die Politisierung kollektiven Erinnerns durch  Geschichtsmythen, Denkmäler und Gedenktage, Literatur und Film, Bildung und Unterricht.  Nationale Symbole können durchaus widersprüchliche Erinnerungen beinhalten, um für eine möglichst große Anzahl von Menschen attraktiv zu sein. Um Wahrheit geht es dabei nicht, sondern um Identitätsbildung. Der Referent zitierte dazu den französischen Soziologen Maurice Halbwachs (1877-1945), demzufolge das kollektive Gedächtnis Vergangenheit unter einem aktuellen politischen und kulturellen Bezugsrahmen rekonstruiert. Die historische Wahrheit, um die sich die Geschichtswissenschaft bemüht, wird dabei meist nur am Rande berücksichtigt. Das kollektive Gedächtnis ist politisch geformt.

Das kann gefährlich werden, wenn es um Konfliktlösung geht. Unter den verschiedenen Möglichkeiten der Konfliktlösung ist Krieg die risikoreichste, kann aber unter bestimmten aktuellen Rahmenbedingungen als unausweichlich angesehen werden. Es kommt auf das kollektive Gedächtnis an. Glücklicherweise ist es heute in Europa aufgrund zweier verheerender Weltkriege so geartet, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen wird. Als alternative Konfliktlösung sieht man die Integration Europas an, wobei besonders Ältere sogar in „Europa“ eine Frage von Krieg und Frieden sehen. Metzinger wies darauf hin, dass ein modischer Europaverdruss schneller als man denkt zu instabilen Verhältnissen führen könnte, bei denen Krieg als Konfliktlösung oft nicht fern ist. Zur Erinnerung zeigte er eine Europakarte, in die alle Kriege der vergangenen Jahrhunderte durch übereinander gelegte Schwärzungen eingezeichnet waren. Fast ganz Europa war tiefschwarz.

Instrumentalisierung der Vergangenheit

Dr. Lukáš Novotný

Dr. Lukáš Novotný

Auf ganz konkrete Weise illustrierte der Soziologe Lukáš Novotný von der Karlsuniversität Prag die politische Instrumentalisierung der Vergangenheit am Beispiel der tschechischen Präsidentenwahl („Zwischen Wahlkämpfen und Krisen: Aktuelles aus der tschechischen Innenpolitik“). In der Stichwahl zwischen Miloš Zeman und Karel Schwarzenberg ging es um die Bewertung der Beneš-Dekrete und der Vertreibung der Deutschen. Man beachte: Ein Wahlkampf des Jahres 2013 sollte an einer Frage des Jahres 1945/ 46 entschieden werden. So wollte es jedenfalls der gewiefte Zeman, der die deutschenfreundliche Haltung als politische Schwäche seines Konkurrenten erkannte. Schwarzenberg hatte die Exzesse der Wilden Vertreibung als Verbrechen bezeichnet, das heute vor dem Europäischen Gerichtshof in Den Haag verhandelt werden würde, und die Deutsche betreffenden Beneš-Dekrete mit Annahme der UN-Charta durch Tschechien (ex nunc) als aufgehoben erklärt. In drei Fernseh- und mehreren Radioduellen trieb Zeman ihn damit in die Enge.

Zeman spekulierte auf die kritische Haltung der Wähler gegenüber den Sudetendeutschen und ihren Forderungen. Sein Wahlerfolg schien ihm Recht zu geben, doch bei genauerer Betrachtung ist das eine Irrtum. Zeman gewann gegen Schwarzenberg mit etwa 55 % zu 45 %. Einen Sieg Zemans hatten die Meinungsforschungsinstitute allerdings bereits vor der Debatte über die Beneš-Dekrete vorausgesagt. Mit einem so guten Abschneiden Schwarzenbergs hatten sie dagegen nicht gerechnet. Novotný schloss daraus, dass diese Geschichtsdebatte keinen signifikanten Einfluss auf das Wahlergebnis hatte. Tatsächlich hielten heute nur noch 42 % der Tschechen die Vertreibung der Deutschen für gerecht, darunter sehr viele über Sechzigjährige – nur eine knappe Mehrheit gegenüber den 39 %, die sie für ungerecht halten. Umfragen in den ehemals deutsch besiedelten Gebieten zufolge habe man dort mehr Angst um die Wirtschaft als vor einer drohenden Rückkehr der Deutschen. Deshalb sei die Instrumentalisierung des kollektiven Gedächtnisses, die in früheren Zeiten so erfolgreich war, diesmal ohne Wirkung geblieben.

Erinnerungskultur und Zeitzeugen

Dr. Michaela Ast

Ein ganz anderer Kampf um die Erinnerung wurde in Deutschland geführt. Während die Sudetendeutschen und anderen Vertriebenen unter sich die Erinnerung an die verlorene Heimat wachhielten und eine friedliche Rückkehr für möglich ansahen, hatten die beiden aufnehmenden deutschen Staaten ein ganz anderes Interesse: die möglichst schnelle und schmerzlose Integration der „Flüchtlinge“, wie man sie damals nannte. Immerhin galt es, 15 Millionen Menschen Obdach und Arbeit zu verschaffen in einem weitgehend zerstörten Land, ohne dass es zu gesellschaftlichen Verwerfungen kam. Michaela Ast, freie Redakteurin und Kommunikationstrainerin aus Datteln, zeigte, wie sich das im Medium Film spiegelte („ Flucht und Vertreibung im bundesdeutschen Spielfilm der 1950er Jahre und heute“). Dort vermied man jede direkte Beschäftigung mit Flucht und Vertreibung, mit erlittenem Unrecht und erhoffter Rückkehr in die alte Heimat. Vielmehr wurden in sogenannten „Heimatfilmen“ Flüchtlingsschicksale als Ankunft in einer neuen Heimat thematisiert.  Wenn es dabei Probleme gab, dann die der Besitzlosigkeit, des Statusverlustes und der Fremdheit, die es mit Hilfe verständnisvoller Nachbarn zu überwinden galt. Die Hoffnung wurde in diesen Filmen auf die anpassungsfähigen Jungen gesetzt, die beim Wiederaufbau gebraucht wurden.

Dieses Projekt Flüchtlingsintegration war im Großen und Ganzen erfolgreich. So verschwand denn um 1960 das Thema Flüchtlinge ganz aus dem Film. Erst mit der „Wende“ begann man, sich in einer Welle von Fernsehdokumentationen, meist mit Zeitzeugenbefragungen, und schließlich auch in Spielfilmen mit den Vertreibungen selbst und den damit verbundenen Leiden und Traumatisierungen auseinanderzusetzen. Anfangs vermied man noch die Frage nach Ursache und Schuld, doch spätestens seit dem Spielfilm „Habermann“ unter der Regie von  Juraj Herz (Deutschland/ Österreich/ Tschechien 2009) hat sich auch das geändert.  In erbarmungslosen Bildern zeigt er die Schuld auf deutscher wie auf tschechischer Seite. Das gleiche gilt für die Verfilmung von Pavel Kohouts 2000 erschienenem Roman „Die lange Welle hinterm Kiel“ (deutsch-österreichische Produktion 2012), dessen Vorführung zum Tagungsprogramm gehörte. Dass im einen Fall ein Tscheche Regie führte und im anderen die Romanvorlage von einem Tschechen stammt, der auch am Drehbuch mitarbeitete, verweist auf eine neue Art gemeinsamer Rekonstruktion der Geschichte.

Dr. Susanne Greiter

Dr. Susanne Greiter

Zeitzeugen spielen in der Erinnerungskultur eine große Rolle. Allerdings gilt, einem Bonmot von Alexander Mitscherlich zufolge, der Zeitzeuge als Feind des Historikers. Geschichte und Gedächtnis sind nämlich keine Synonyme. Das machte die Historikerin Susanne Greiter aus Eitensheim  deutlich, die über ein eigenes  Zeitzeugenprojekt referierte („Erzählte Geschichten und Geschichte im Familiengedächtnis“). Auch sie berief sich auf Maurice Halbwachs und seine These, dass soziale Rahmenbedingungen wie Familie und Öffentlichkeit maßgeblich die Erinnerung an das Erlebte beeinflussen. Dabei gibt es eine Wechselwirkung von kulturellem Gedächtnis und privater Erinnerung, die vor allem von Erzählmilieus und ihren Stereotypen beeinflusst wird. Dabei kann es vorkommen, dass Gehörtes oder Gelesenes sich mit der eigenen Erinnerung vermischt, dass Familiengeschichte aus Scham umgeschrieben wird und Täter im Rechtfertigungszwang zu Opfer mutieren. Das kann wiederum Auswirkungen auf das Gedächtnis der folgenden Generationen haben, wenn Familienloyalität zur unkritischen Übernahme ungeprüfter oder unüberprüfbarer Erzählungen verführt. Solche Geschichten können aber umgekehrt auch Generationenkonflikte auslösen, wenn die offizielle Geschichtsschreibung in eklatantem Widerspruch zu ihnen steht, d. h. wenn die Kinder der Erlebnisgeneration „von der Schule verdorben worden“ sind.

Opferrolle als Verständigungshindernis

Carsten Eichenberger, M.A.

Carsten Eichenberger, M.A.

Oft unbemerkt bleibt, dass  Traumata oder Schweigen über das Erlebte bei den Kindern wiederum traumatische Spuren hinterlassen. Opferrollen werden oft über Generationen weitervererbt und das nicht nur in der Familie, sondern auch in gesellschaftlichen Kollektiven. Ganze Nationen und Schicksalsgemeinschaften gefallen sich in einer ewigen Opferrolle. Die Täter, das sind immer die anderen. So gedenken die Sudetendeutschen immer noch der Opfer vom 4. März 1919, als tschechisches Militär in demonstrierende deutsche Sezessionisten schoss. Auf der anderen Seite hatte ein tschechischer Präsident kein Problem damit, die drohende Herrschaft der deutschen Kanzlerin über Europa, vor allem aber über das kleine Tschechien an die Wand zu malen. Carsten Eichenberger aus Aspach, Mitarbeiter im Stuttgarter „Haus der Heimat“, führte dies in seinem Referat „Wie das Festhalten an Opferrollen Verständigung verhindert – Eine Bilanz nach zwei Jahrzehnten sudetendeutsch-tschechischer Verständigungsbemühungen“ aus.

Studenten aus Brünn und Pardubitz

Studenten aus Brünn und Pardubitz

Václav Havel fasste das schwierige historische Verhältnis seiner Nation zu den Deutschen in die Worte: „Deutschland ist unsere Inspiration, aber auch unser Schmerz.“ Wer im Opfer-Täter-Schema gefangen ist, hat für solche Zwischentöne keinen Sinn. Auch die Entschuldigung des Dichterpräsidenten für die Vertreibung kam nicht an. Nicht in Tschechien, das für sich die alleinige Opferrolle reklamiert. Und nicht bei der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die auf die Entschuldigung mit neuen Forderungen reagierte. Wer sich selbst als Opfer sieht  und den anderen als Täter, tut sich eben schwer mit Frieden und Verständigung, so Eichenberger. Gerne missversteht man dann die Absichten des anderen. Wenn die Tschechen von „Schlußstrich“ sprechen, denken die Sudetendeutschen, dass Unrecht unter den Teppich gekehrt werden soll. Wenn die Sudetendeutschen von „Recht auf Heimat“ sprechen, denken die Tschechen, die wollen ihr Eigentum zurück.

Opfer zu sein hat den Vorteil, so Eichenberger weiter, im Recht zu sein, nicht nach eigener Schuld suchen zu müssen und vielleicht eine Entschädigung zu bekommen. Es bedeutet aber auch, mit einer Deformation leben zu müssen, die aus einer Verletzung herrührt. Opfer sein heißt, etwas passiv erdulden. Die Versuchung, aus dieser Schwäche heraus selbst Unrecht tun, ist groß. Ein Weg aus dieser Misere wäre die Erkenntnis, dass auch die (kollektiven) Täter zuvor vielleicht Unrecht erlitten haben. Verständigung wird möglich, wenn sich jeder fragt, was die eigene Gemeinschaft der anderen im Laufe der Geschichte angetan hat. Eine solche Verständigung setzt freilich auch gleiches historisches Wissen, gleiche Begriffe, Kritikfähigkeit in eigene Fehler und Einfühlungsvermögen in den anderen voraus.

Verständigung erfordert Wissen

Aufmerksame Zuhörer

Aufmerksame Zuhörer

Dass Verständigung und Versöhnung unter diesen Voraussetzung möglich ist, bestätigte der Historiker und Publizist Andreas Kalckhoff aus Stuttgart in seinem Vortrag „Die Gedenktafel in Postelberg und ihre Geschichte“. Er beschrieb darin den langen Weg, den vertriebene Deutschböhmen gingen, um in Tschechien eine Gedenkstätte für die Opfer des Nachkriegsmassakers in Postelberg zu bekommen, bei dem nachweislich 763 Männer, Frauen und Kinder umkamen. Lange Zeit erschien dies unmöglich, weil selbst wohlwollende tschechische Politiker sich nicht in der Lage sahen, dies in den Gemeindeorganen durchzusetzen. Erst eine mehrjährige Kampagne zur Aufklärung der Öffentlichkeit mit Dokumentationen, Zeitzeugenauftritten, Ausstellungen, öffentlichen Lesungen, Theaterstücken, Podiumsdiskussionen und die Unterstützung lokaler wie landesweiter Medien führte zum Entschluss der Postelberger Stadtverordneten, auf dem Friedhof eine bescheidene Gedenktafel anzubringen. Nur „sine ira et studio“ – ohne Wut und Übereifer – und mit Einfühlung in die Verletzlichkeiten einer Nation, die selbst in einer Opferrolle lebt, in der die Deutschen die Täter sind, war dies möglich.

Ganz ähnliche Erfahrungen machte Wolfgang Kaiser, Vorsitzender des sudetendeutschen Heimatkreises Niemes („ Konkrete Erfahrungen deutsch-tschechischer Begegnungen auf Heimatkreisebene“). Durch regelmäßige Besuche in Niemes|Mimoň und den zahlreichen umliegenden Orten, die vom Heimatkreis betreut werden, konnte er die Freundschaft und das Vertrauen der Bürgermeister, Archivare und anderer Honoratioren gewinnen, die dennoch vermieden, sich durch schriftliche Einladungen oder Absender auf Postsendungen nach „drüben“ als Deutschenfreunde festzulegen, weil dies vielleicht politisch schaden könnte. (Der Berichterstatter kann hier ergänzen, dass Tschechen bei Kontakten zu Deutschen bei  ihren Landsleuten leicht in den Verdacht geraten, sich bestechen zu lassen – zu welchem Zweck auch immer. Vor allem Vertreter aus dem Umkreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft werden misstrauisch beobachtet, auch wenn sie das nicht immer wahrnehmen.) Kaisers Erfahrungsbericht zeigte, dass durch persönliche Kontakte und bescheidenes Auftreten in Tschechien mehr zu erreichen ist, als durch starke Fensterreden. Als Angehörige eines kleinen Volkes haben die Tschechen die nicht unberechtigte Sorge, in einem Augenblick der  Unaufmerksamkeit vom großen Nachbarn Deutschland eingesackt zu werden.

Nationale Stereotype: selbstironisch oder humorlos

Dr. Jan Čapek

Dr. Jan Čapek

Eichenberger wies daraufhin, dass die deutsch-tschechische Verständigung auch durch das Ungleichgewicht gegenseitiger Aufmerksamkeit für einander erschwert wird. Während die kleine Nation der Tschechen das, was in Deutschland geschieht, jederzeit aufmerksam beobachte, finde das politische und wirtschaftliche Geschehen in Tschechien beim großen Nachbarn nur gelegentlich Beachtung. Es herrscht also in Deutschland ein Mangel an Wissen über Tschechien. Da wiegen dann die allgegenwärtigen Stereotype umso schwerer.

Der Germanistikprofessor Jan Čapek von der Universität Pardubitz|Pardubice stellte diese in einem launigen Vortrag mit reichem Anschauungsmaterial vor („Gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Tschechen am Beispiel der gegenseitigen Stereotypen“).  Stereotype, den Volkscharakter betreffend, dienen der Abgrenzung, und die scheint umso notwendiger, je ähnlicher sich die Völker sind. Interessant sind dabei nicht nur die Fremdzuschreibungen, sondern auch die Selbstzuschreibungen. Hier ist Selbstironie typisch für Gemeinschaften, die sich unterlegen fühlen. So gefallen sich die Tschechen durchaus in der Rolle des Schwejk, eines gerissenen, kreativen, flexiblen, lebenslustigen, disziplinlosen, toleranten und agnostischen Plebejers, der mit seiner Bauernschläue die „Großkopferten“ austrickst. Auf der anderen Seite sind die Deutschen ziemlich humorlos stolz auf ihre Ordnungsliebe, Organisationstüchtigkeit, Pünktlichkeit, Gründlichkeit, Direktheit und Professionalität. Stereotype können, verdichtet zu Karikaturen, amüsieren, aber man sollte nicht vergessen, dass sie ihre Wirkung aus einer Reduktion von Wirklichkeit ziehen. Halbe Wahrheiten können aber sehr gefährlich sein.

Die Tagung schloss mit einem Referat des Historikers und Publizisten René Küpper aus München: „Edvard Beneš – Annäherung an eine kontroverse Gestalt“. Sehr zu seinem Bedauern konnte der Berichterstatter es nicht mehr anhören.