Der Welt frei und offen begegnen

Der Förderverein stellt sich Fragen von tschechischen Gymnasiasten

Im Vorfeld der Mitgliederversammlung am 11. November 2017 in Saaz folgte der Förderverein einer Einladung des Gymnasiums Podersam zur Diskussion über die Zukunft von Deutschen und Tschechen. In Prag hatte er zuvor im „Haus der Minderheiten“ den Videofilm „Das Saazerland“ gezeigt. Am 9. September wurde wieder der Schändung der Saazer Synagoge in der „Reichskristallnacht“ gedacht (tschechischer TV-Bericht).

Vier Mitglieder des Fördervereins stellten sich am 10. November 2017 den Fragen der tschechischen Gymnasiasten von Podersam|Podbořany bei Saaz. Nachdem Otokar Löbl Ziele und Arbeit des Fördervereins vorgestellt hatte, sprach er über die Lehren, die uns der tschechische Philosoph Jan Patočka (1907-1977) zum Thema Freiheit und Demokratie geben kann. Patočka, ein Mitunterzeichner der „Charta 77“, verstand Freiheit nicht als Ausleben von Individualismus, sondern als Aufforderung zu eigenem Denken, Weltoffenheit und als freie Hinwendung zum Mitbürger. Löbl hob dabei hervor, dass selbständiges Denken und Recherchieren vor den Lügen, „Fake News“ und „alternativen Fakten“ schützt, die heute die Wirklichkeit zu verzerren drohen.

Die Schüler hatte erst einmal Fragen zu den Deutschen und den schrecklichen Nachkriegsereignisse in Saaz und Postelberg. Löbl verwies dabei auf die zweisprachige Dokumentation über den Fall Postelberg, die sich als Spende des Fördervereins in der Schulbibliothek befände. Eine Schülerin sprach darüber, dass es in ihrer Familie viele deutsche Vorfahren gebe und dass die Spuren der deutschen Vergangenheit auch im Podersamer Land noch sichtbar seien. Viele hätten dazu heute eine positive Einstellung. Die Antworten der deutschen Gäste Gerhard Gerstenhöfer, Andreas Kalckhoff und Helmut Schneider wurden aufmerksam vernommen und gaben Anlass zu neuen Fragen.

Danach kehrte das Gespräch in die politische Gegenwart zurück, in der das Verhältnis zu den Deutschen eine weniger zentrale Rolle einnimmt als die eigenen Probleme mit Freiheit und Demokratie. Tatsächlich äußerten die Schüler Unzufriedenheit und Ratlosigkeit hinsichtlich des Zustands ihrer Gesellschaft. Kalckhoff verwies als mögliche Antwort auf den tschechischen Politologen Bohumil Doležal, der beklagt, dass die von den Kommunisten zerstörte Zivilgesellschaft noch nicht wieder vollständig erneuert sei. Gesellschaft ist nämlich nicht nur eine Anhäufung von Individuen, die ihre eigenen Interessen verfolgen, sondern sie kann als Träger des Staates und Kontrolleur der Regierenden nur funktionieren, wenn ihre Mitglieder als Bürger gemeinsam handeln und gemeinsamen Werten verpflichtet sind. Statt auf den Staat, die EU oder die Parteien zu warten, so Kalckhoff, sei es an jedem Einzelnen, sich zu engagieren und zu widersprechen.

Gäste im Gymnasium, mit Lehererinnen (v.l.n.r.) Lehgrerin, Otokar Löbl, Helmut Schneider, Lehrerin, Gerhard Gerstenhöfer, Andreas Kalckhoff)

Gedenken an die „Reichskristallnacht“ (Tschechisches Fernsehen):

Literaturvorschlag zu Jan Patočka