Nachruf auf einen bewundernswerten Menschen, Historiker, Familienvater, Freund und Pressesprecher des Fördervereines der Stadt Saaz, Žatec e.V.: PhDr. Andreas Kalckhoff 1944-2022
Andreas Kalckhoff ist kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges in der königlichen Stadt Saaz in Böhmen (heute Žatec in der Tschechischen Republik) am 18. August 1944 im Kreiskrankenhaus zu Welt gekommen.
Seine Mutter Getrud stammt aus der angesehenen Familie Saazer Borstendörfer. Als junge Frau arbeitete sie in Berlin als Sekretärin. Hier lernte sie den Vater von Andreas, Gerhard Kalckhoff, kennen. Er studierte Physik bei Einstein und Planck in Berlin und ging etwa 1930 zu der Fa. Siemens, wo auch sein Vater als Ingenieur beschäftigt war. Er forschte über Radar, sodass er wegen dieser Forschung nicht als Soldat eingezogen wurde. 1941 haben sie geheiratet.
Wegen der Bombenangriffe in Berlin entschloss sich seine Mutter, während der Schwangerschaft zu ihren Eltern nach Saaz zu übersiedeln, wo es ruhiger war. Der Vater kam wegen seiner Arbeit bei Siemens nicht mit. Der Großvater Gustav Borstendörfer war kein Aktivist und kein Widerstandskämpfer, aber gleichwohl ein überzeugter Sozialdemokrat und Antifaschist. Doch seine politische Haltung schützte ihn Anfang Juni 1945 nicht davor, mit den anderen Männern und Jugendlichen aus Saaz nach Postelberg verschleppt zu werden. Sie schützte ihn, nachdem er die fürchterliche Zeit im Lager überlebt hatte, auch nicht vor der Vertreibung aus der böhmischen Heimat seiner Mütter und Väter. Sie schützte ihn nicht vor dem Verlust seines hart erarbeiteten Eigentums und Vermögens.
Gertrud floh im August 1945 mit Andreas und ihrer Mutter nach Berlin. Nach Kriegsende verlegte die Fa. Siemens ihren Sitz nach München, wo Gerhard arbeitete., so dass die ganze Familie jetzt in München lebte. Sein Großvater Gustav kam mit seiner Familie in einem kleinen Ort bei Regensburg unter, wo er siebzigjährig starb. Er vermisste nach der Vertreibung nicht das deutsche Sudetenland – er vermisste Saaz. Seine Heimat. Hier muss von ihm ein Funke zu seinem Enkel Andreas übergesprungen sein.
Kalckhoff wuchs in München auf und studierte dort bayerische Geschichte, mittelalterliche Geschichte und Politische Wissenschaft. 1976 wurde er bei Karl Bosl über Nationalismus im Spätmittelalter promoviert. Er war Autor von mehreren wissenschaftlichen Büchern, Richard der III, Karl der Große und vielen Publikationen.
Von 1977 bis 1978 war er Redakteur beim Geschichtsmagazin „Damals“ in Gießen, 1978 bis 1980 wissenschaftlicher Angestellter der Universität Stuttgart bei August Nitschke im Institut für Sozialforschung, Abteilung „Historische Verhaltensforschung“. Seit 1980 lebte er als freier Publizist, Genealoge und Heraldiker in Stuttgart.
Ich lernte Andreas im Jahre 2002 kennen, wir fuhren nach Saaz und in einer gemütlichen Runde mit den Vorsitzenden des tschechischen Saazer Vereins, Petr Šimaček,planten wir das 1000-jährige Jubiläum der Stadt Saaz. Zu dieser Feier, die auch in Prager Senat stattfand, trug Andreas einen Vortrag über den Ackermann aus Böhmen vor. Der Johannes von Saaz, Autor dieses Werkes wurde von da an zu dem roten Faden unserer Zusammenarbeit.
Im Jahre 2013 gründeten wir zusammen einen Förderverein der Stadt Saaz e.V. in Schwabach/Mittelfranken, in dem Andreas der Schriftführer und Pressesprecher wurde. Als Historiker war er nicht nur fachlich eine Hilfe, sondern seine Begeisterung und Liebe zu seiner Geburtsstadt wurde fast zu einer Sucht und Credo. Er wurde auch Webmaster unserer Homepage, www.saaz.info bei der auch sein Sohn Tilman behilflich war und verfasste unzählige Artikel, in denen er unsere Aktivitäten dokumentierte.
Mit seiner Sachlichkeit bei der Behandlung der Vertreibung der Deutschen aus Saaz, dessen Opfer er ja mit zwei Jahren 1946 war, konnten wir sehr viel Versöhnungsarbeit zwischen den Deutschen und Tschechen leisten. Es gelang uns eine Aufstellung und Enthüllung eine Gedenkplatte für das Postelberger Massaker von Juni 1945 am Friedhof in Postelberg 2010 zu erreichen. Über dieses Ereignis berichtete am 3. Juni 2010 sogar die Tagesschau in den Hauptnachrichten.
2013 wurde sein Buch, „Versöhnung durch Wahrheit“ über das Postelberger Massaker in Saaz vorgestellt. In den zwei Jahren bis zu Fertigstellung des Buches, an dem ich beteiligt war, hatten wir zwei schwere Kämpfe durchzustehen, aber dadurch ist unsere Freundschaft noch enger geworden.
Unser Traum war die Errichtung eines Museums des Johannes von Saaz, dazu ist es leider nicht gekommen. Aber wir haben viele Ausstellungen und Publikationen zusammen geschaffen. Davon nenne ich nur die „Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen 1945“ und „Die Juden von Saaz“. Alle wurden auch digital verarbeitet und sind im Internet zugänglich.
Sein Meisterwerk schuf er noch kurz vor seinen Tod. Die zweisprachige Ausstellung „Der Ackermann und der Tod“ An der Vernissage im Mai 2022 in Historischen Museum Frankfurt am Main konnte er noch teilnehmen mit der Hilfe seine liebevollen Frau Anne, da war er schon schwer von seiner Krankheit gezeichnet Auch vollendete er noch einen hochwertigen künstlerischen Katalog zu dieser Ausstellung. Auch dieses Werk wird demnächst voll im Internet zugänglich sein auf der Webseite www.ackermann-tod.de
Ich könnte hier noch viele Seiten schreiben von unseren Reisen nach Saaz und gemeinsamen Veranstaltungen, an denen wir zusammen teilgenommen haben. Von Feiern und wilden Abenden auch zusammen mit unseren Herzensfreund Petr Šimáček in Saaz/Žatec. Das Schreiben darüber fällt mir schwer. Ich und viele Freunde in Saaz vermissen dich Aber wir werden deine Gedanken, Träume und Taten weiter mit Leben füllen und erhalten. Lieber Andreas, wir danken Dir.
Er verließ uns und verabschiedete sich würdevoll, am 14. 8. 2022 in Stuttgart im Kreis seiner Familie, vier Tage vor seinen 78 Geburtstag.
Otokar Löbl und Petr Šimáček, deine treuen Freunde