Von Dagmar Keberlová im Gespräch mit Otokar Löbl | Tschechischer Rundfunk 7 Radio Prag 7, 22. September 2001
In der heutigen Ausgabe des Regionaljournals bringen wir Sie nach Žatec|Saaz an der Eger. In dieser nordböhmischen Stadt haben die Bürger Initiative ergriffen und wollen sich auf den „Saazer Weg“ in eine bessere Zukunft mit bewältigter Vergangenheit begeben.
Menschen, welche die Stadt Žatec lieben, sind die Väter der Idee, den „Verein der Landsleute und Freunde der Stadt“ zu gründen. Beweggründe gab es genug, erzählte mir einer der Gründer, Petr Šimaček, der auch Vorsitzender des Vereins ist. Zusammen mit weiteren Freunden haben sie mit dem „Kulturkreis Saaz“ in Roth [bei Nürnberg] Kontakt aufgenommen, mit dem sie jetzt eng zusammenarbeiten. Der „Saazer Weg“ will nicht nur die dunklen Stellen der Geschichte aufarbeiten, sondern auch ihrer Stadt die Wichtigkeit zurückgeben, die sie einst hatte. Ich habe den Koordinator für Deutschland, Herrn Otokar Löbl angerufen und ihn gefragt, warum er aber auch andere aus Deutschland diese Initiative unterstützen:
Ich bin ich gebürtiger Saazer, ich bin dort geboren, ich liebe diese Stadt. Ich möchte gerne dazu betragen, dass diese Stadt wieder zu der Bedeutung kommt, die sie früher hatte, als Hopfenmetropole, als Kulturstadt, und man sollte anknüpfen an die alte Tradition, als Saaz die zweitgrößte deutsche Stadt war und als früher Deutsche, Juden und Tschechen friedlich zusammengelebt haben, und als Saaz im Mittelalter sogar die einzige Stadt war, in der in den Hussitenkriegen Deutsche und Tschechen gemeinsam gegen die [katholischen] Kreuzzügler gekämpft haben.
Was aber planen die Mitglieder auf tschechischer Seite? Wie mir der Vorsitzende Petr Šimaček mitgeteilt hat, wird die Stadt ab dem kommenden Jahr wieder zur Bezirksstadt, und in diese Richtung gehen auch die Bemühungen der Saazer:
Man kann sagen, dass wir uns dafür einsetzen, dass nach Saaz Ämter verlegt werden, so dass die Stadt wieder ihr Antlitz, ihre Bedeutung wiedererlangt und ihren Einfluss in der Region des Hopfenanbaus halten kann. Zu dieser Region gehören drei oder vier Bezirke, wo überall unser Saazer Hopfen angebaut wird.
Doch nicht nur in die Zukunft, sondern auch auf die nicht einfache Vergangenheit richten sich die Blicke der Saazer Freunde. Die Aufarbeitung der Geschichte haben sie in ihrem Programm festgehalten und diese sei ihrer Meinung nach unerlässlich für die Zukunft. Wie sehr die Menschen ihre Stadt lieben, hatte man meinen beiden Interviewpartnern zufolge dem ersten Treffen anmerken können, das am vergangenen Wochenende in Žatec stattgefunden hatte. Otokar Löbl hierzu:
Ich habe zum Beispiel mitgekommen, jetzt bei unserem ersten Treffen der Saazer Landsleute in Saaz, das von der tschechischen Seite wunderbar organisiert wurde, dass manchen Leuten dort bei der Veranstaltung im Theater direkt Tränen in die Augen gekommen sind. Wenn der Fremdenverkehr stärker wird, wird die Stadt auch wieder zu ihrer Bedeutung kommen. Aber dazu muss natürlich auch die Geschichte aufgearbeitet werden, und das von beiden Seiten. Das heißt, dass auch die deutschen Landsleute, die vertrieben wurden, ihre Fehler reflektieren müssen, den übersteigerten Nationalismus, der zu ihrer − wenn auch ungerechten − Vertreibung geführt hat. Und die tschechische Seite sollte sich auch zu dem bekennen, was in dieser Stadt passiert ist, dem Marsch [der männlichen Deutschen] nach Postelberg [ins Konzentrationslager]. Die Fehler liegen meiner Meinung nach auf beiden Seiten, und die ganzen Klischees, die entstanden sind, muss man einfach überspringen. Das ist im Grunde einfach, denn wo ein Wille ist, ist ein Weg. Der »Saazer Weg« ist ein ständiger Dialog, ein demokratischer Dialog, zwischen allen Saazer Bürger, Gebürtigen und Freunden dieser Stadt, und wir möchten gerne alle gesellschaftlichen Gruppen einladen, auch in der Bundesrepublik, diesen Weg zu gehen.
Aus Deutschland waren Petr Šimáček zufolge nicht allzu viele dabei, eine größere Beteiligung sei aber zum Treffen im Jahre 2004 zu erwarten, bei dem die Millenniumsfeier des Bestehens der Stadt ansteht. Das Bewahren alter Tradition und die Gestaltung der Zukunft verlangt aber auch die junge Generation. Gelingt es dem Verein, junge Leute anzuziehen?
Aber natürlich. Durch die Herausgabe der Graphischen Blätter [von Saaz], durch einen [Literatur-] Wettbewerb [über Saaz], den wir schon versuchsweise in den Schulen gemacht haben und der gemeinsam von uns bewertet wurde, versuchen wir auch Schüler und junge Leute zu erreichen. Es ist mir gelungen letztes Jahr eine Verbindung zwischen der Saazer Handelsakademie und einer Schule in Kassel zu vereinbaren, und da läuft eine wunderbare Kooperation, die vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gefördert wird. Und natürlich bleiben wir nicht dabei stehen. Ähnliche Aktionen laufen in Richtung Gymnasium und natürlich auch auf Grundschulebene. Dadurch können wir auch den Deutschunterricht fördern und den [Schüler-] Austausch. Zum Saazer Weg gehört auch, dass wir Familien ehemaliger Landsleute suchen werden, die unserer Stadt wohlgesonnen sind. mit denen wir einen Jugendaustausch machen können. Also, es gibt wirklich sehr viele Berührungspunkte, und man kann sehr viel tun, und die Stadt unterstützt uns.
Petr Šimaček organisierte einen Wettbewerb für junge Leute in Žatec und war ganz stolz auf die jungen Teilnehmer. Obwohl Jugendliche oft von der älteren Generation hören, dass sie lieber von Žatec wegziehen sollten, zeigte sich, dass sich diese jungen Leute eine Zukunft in ihrer Stadt vorstellen können.
Ich kann ihnen sagen, dass ich stolz war auf die Kinder und Studenten, die sich weniger um die Meinungen ihrer Eltern kümmern, in der Stadt bleiben, und eine Zukunft aufbauen wollen. Aber wir versuchen auch, etwas für die jungen aktiv zu tun, um sie hier halten zu können. So bemühen wir uns, Investoren für unsere Stadt zu finden, denn mit ihnen kommt Arbeit in unserer Region.
Vollständiges Interview mit zusätzlichen Informationen
(Sie müssen dazu eine Real Player installiert haben – hier herunterladen):
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