
Der Pogrom, der in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Deutschland und im Gebiet der Sudeten stattfand, forderte über hundert Menschenleben, etwa 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt, und mehr als 1300 Synagogen und Bethäuser wurden zerstört oder in Brand gesetzt. Auch die Synagoge in Saaz/Žatec wurde damals angegriffen, ihr Brand konnte jedoch glücklicherweise von den örtlichen Feuerwehrkräften gelöscht werden.
Das Gedenken findet in Saaz | Žatec seit 2007 regelmäßig auf Initiative des tschechischen Verein der Landsleute und Freunde der Stadt und der Förderverein der Stadt Saaz in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Stadt Žatec, der Jüdischen Gemeinde Teplice und der Synagoge Žatec statt.

Auch in diesem Jahr war es nicht anders. Am Nachmittag fand die stille Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof unter Teilnahme des neuen Botschafters des Staates Israel in der Tschechischen Republik, seiner Exzellenz Herrn Amir Weissbrod, statt. Vom deutschen Botschaft nahm der Verteidigungsattaché Oberstleutnant Rüdiger Heinrich teil. Zusammen mit dem Bürgermeister der Stadt, Radim Laibl, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Teplice, Michael Lichtenstein, dem Vorsitzenden des Fördervereins Saaz/Žatec, Otokar Löbl, dem Vorsitzenden des Vereins Rodáci Žatec, Petr Šimáček, dem Besitzer der Synagoge, Daniel Černý, und weiteren Gästen ehrten sie das Andenken der Holocaust-Opfer am Gedenkstein durch das Entzünden von Kerzen, Gebet und stillem Gedenken.

Anschließend besichtigten die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung in der Zeremonienhalle des Friedhofs die Ausstellung „Luftbrücke Saaz – Israel“, die ein außergewöhnliches Kapitel der gemeinsamen Geschichte der Tschechoslowakei und des neu gegründeten Staates Israel erinnert. Die Ausstellung dokumentiert die Ereignisse der Jahre 1946 bis 1948, als die damalige Tschechoslowakei dem jungen jüdischen Staat wesentliche militärische Hilfe im Existenzkampf bot.
Vom Militärflugplatz in Saaz starteten damals Flugzeuge, die mit Waffen, Munition und militärischem Material beladen waren, das Israel half, seine Unabhängigkeit zu verteidigen. Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit würdigte auch der Botschafter des Staates Israel in der Tschechischen Republik, Herr Amir Weissbrod, der anlässlich dieser Gelegenheit den Vereinen und der Stadt Žatec dankte, dass sie dieses bedeutende Kapitel der Geschichte würdigen und das Andenken an Ereignisse bewahren, die bei der Entstehung des Staates Israel halfen. Er sprach allen Anerkennung aus, die bei der Vorbereitung und Pflege der Ausstellung mitwirken, für ihre Bemühungen, das historische Gedächtnis und die Freundschaft zwischen unseren Völkern auch für kommende Generationen zu bewahren.

Die Gedenkveranstaltung zum 87. Jahrestag der Reichspogromnacht hatte ihren Hauptteil in der Synagoge. Nach den Reden der Gäste trat das Kinderrundfunkensemble Disman mit einer berührenden Aufführung von Bildern aus dem Leben der im Theresienstädter Ghetto internierten Kinder „Und der Himmel tat weh…“ auf. Den Abschluss bildete ein Totengebet von Tomáš Pulec von der Jüdischen Gemeinde Teplice und die israelische Nationalhymne Hatikva.
Äußerungen bei der Erinnerung an die Reichspogromnacht:

Radim Laibl, Bürgermeister der Stadt Žatec: „Wir begrüßten gerne den neuen Botschafter Israels in der Tschechischen Republik, Herrn Amir Weissbrod, in unserer Stadt. Gemeinsam ehrten wir das Andenken der Opfer der Reichspogromnacht und des Holocausts. Wir schätzen es sehr, dass seine erste Reise in seiner neuen Funktion gerade in die Region Aussig und konkret nach Žatec führte, das mit der jüdischen Gemeinde sowie mit der konkreten Luftunterstützung für den jungen Staat Israel im Jahr 1948 verbunden ist.“

Petr Šimáček, Vorsitzender des Vereins Rodáci Žatec: „In den Schulen wird heute wenig über jüdische Geschichte gelehrt, und so wissen junge Menschen oft nicht, wie bedeutend dieser Teil der Geschichte für unsere Stadt und das ganze Land über Jahrhunderte war. Dabei lebte, arbeitete und wirkte die jüdische Gemeinde hier fast tausend Jahre. Bei der Erinnerung an die Reichspogromnacht versuchen wir, diese ‚weißen Flecken‘ in der Geschichte zu beleuchten und Raum zum Lernen und Verstehen vor allem für die junge Generation zu öffnen. Mit der Erinnerung an die Reichspogromnacht wollen wir diese weißen Flecken in der Geschichte besonders für die junge Generation zugänglich machen.“

Otokar Löbl, Vorsitzender des deutschen Fördervereins Saaz/Žatec: „Die heutige Pieta ist auch eine Erinnerung an die bedeutende Hopfenarchitektur in Žatec, die im vergangenen Jahrhundert überwiegend von jüdischen Hopfenhändlern errichtet wurde. Sie trug wesentlich zur Aufnahme der Stadt Žatec und ihrer Hopfenlandschaft in die UNESCO-Welterbeliste bei. Auch das gehört zur Erinnerung an die große jüdische Gemeinde in Žatec.“

Michal Lichtenstein, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Teplice: „Dieses Treffen in Žatec war eine Erinnerung nicht nur an das Leiden der jüdischen Bevölkerung von Saaz und Nordböhmen während der nationalsozialistischen Verfolgung, sondern auch an die Notwendigkeit, wachsam gegenüber den Erscheinungen von Hass und Intoleranz, vor allem Antisemitismus in Europa heute, zu sein. Die Erinnerung an die Reichspogromnacht ist eine Warnung, wie leicht Hass Fuß fassen kann, wenn wir ihm nicht gemeinsam entgegentreten.“

Daniel Černý, Eigentümer der Synagoge Žatec: „Ich freue mich sehr, dass wir diese Gedenkveranstaltung seit 2013 gemeinsam mit den Heimatvertriebenen aus Žatec organisieren können. Gemeinsam bemühen wir uns darum, dass die Saazer Synagoge nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern auch ein Raum für Dialog, Verständnis und Kultur wird. Die Synagoge lebt heute – hier finden Konzerte, Ausstellungen, Treffen und Bildungsaktivitäten statt. Ich freue mich, dass immer öfter auch junge Menschen hierherfinden, die die Geschichte ihrer Stadt kennenlernen und über ihr Erbe nachdenken möchten.“
Die Veranstaltung wurde von Hessischen Innenministerium gefördert.

Impressionen der Veranstaltung










