Otokar Löbl und Andreas Kalckhoff sprachen in Brünn, Prag, Kaden und Saaz mit Historikern, Museumsplanern und Journalisten
Beim 23. Brünner Symposium (11.-13. April 2014) stellte das Collegium Bohemicum Ustí nad Labem|Aussig sein Projekt eines Museums der Geschichte der Deutschen in den böhmischen Ländern vor. Der Förderverein der Stadt Saaz|Žatec erhielt von dieser hervorragenden Präsentation wertvolle Anregungen für sein eigenes Vorhaben und nutzte die Gelegenheit zum Gespräch mit den Ausstellungsmachern. Auch mit anderen Teilnehmern des Symposiums kam es zum gedanklichen Austausch über das Saazer Projekt, das von allen Seiten Zuspruch bekam. In Kaden und Saaz konnte der Förderverein konkrete Absprachen mit den Historikern Petr Hlavaček und Petr Čech über die erste internationale Tagung zur Saazer Geschichte treffen. Das Saazer Museumsprojekt wird aller Voraussicht nach von der Europäischen Union, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Tschechischen Staat gefördert.
Das Brünner Symposium und sein Vorläufer, die Iglauer Gespräche, werden seit 1992 jährlich von der deutschen Ackermann-Gemeinde und der tschechischen Bolzano-Gesellschaft | Společnost Bernarda Bolzana veranstaltet. Sie dienen der Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen über historische und politische Fragen von beiderseitigem Interesse. Über 250 Teilnehmer treffen sich hier regelmäßig zu Information und Diskussion. Diesmal ging es um die Problematik kultureller und sozialer Minderheiten wie etwa der Roma („Menschen am Rande“). Auch das Thema Deutsche in Böhmen wurde wieder angesprochen.
Im Unterschied zum Außiger Projekt, das die Geschichte aller Deutschen in Böhmen (Stichwort „Unsere Deutschen“) behandelt, wird sich das Saazer Johannes-von-Saaz-Museum|Jan ze Žatce-Muzeum auf das Saazer Land beschränken. Thema sind auch nicht ausschließlich die Deutschsprachigen, sondern es soll um das achthundertjährige Zusammenleben von Tschechen und Deutschen und die gegenseitige Befruchtung ihrer Kulturen gehen. Dabei spielen auch die Juden eine wichtige Rolle, von denen die meisten deutschsprachig waren, die aber vor allem in der jüngeren Geschichte eine politische und kulturelle Klammer zwischen Deutschen und Tschechen bildeten.
Das Saazer Museumsprojekt des Fördervereins wird im Rahmen der EU-geförderten kulturellen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesland Sachsen und Tschechien stufenweise realisiert werden. Während in Aussig die erste Stufe in der Renovierung des ehemaligen Stadtmuseums als zukünftiger Ausstellungsort bestand, ist in Saaz als Einstieg eine Reihe von Tagungen zur Saazer Geschichte vorgesehen. Wegen des Eisernen Vorhangs, der den Zugang zu den tschechischen Archiven und Bodenfunden versperrte, gibt es von deutschen Historikern und Archäologen nach 1945 kaum regionalgeschichtliche Studien zu Böhmen. Žatec, ein abgelegener Ort im „Grenzland“, war aber wegen seiner deutschen Vergangenheit bis in die neunziger Jahre ein blinder Fleck auch in der tschechischen Geschichtsschreibung. Es ist deshalb zu erwarten, dass die geplanten Seminare beiderseits der Grenzen Aufmerksamkeit erregen werden. Durch Synchronübersetzung werden sie für Tschechen und Deutsche gleichermaßen zugänglich sein. Tagungsbände zur Verbreitung der wissenschaftlichen Früchte sind geplant.
Petr Čech und Petr Hlavaček haben bereits als Referenten zugesagt. Der Saazer Mgr. Petr Čech, ein Spezialist für frühmittelalterliche Archäologie, betreut seit 2005 für die Tschechische Akademie der Wissenschaften eine archäologische Forschungsstelle in Saaz, sein Arbeitsgebiet ist die Erforschung der frühen Besiedlungsgeschichte der Stadt. Er kann über einige erfolgreiche Grabungen berichten, die u. a. zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der ehemaligen Saazer Burg und der Lage früher Kirchen in Saaz führten.
PhDr. Petr Hlavaček aus Kaden ist Mitgründer des Collegium Europaeum an der Prager Karlsuniversität, das sich die Erforschung kultureller und politischer Identitäten in Europa seit dem Mittelalter zur Aufgabe gemacht hat. 2001-2007 war er am „Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas“ an der Universität Leipzig tätig. Er ist Spezialist für die Erforschung religiöser Ideen und Identitäten und speziell des Hussitentums. Er wird einiges beitragen zur Geschichte des hussitischen Saaz im 15. Jahrhundert.
In Prag ergab sich dann die Gelegenheit zu einem Hintergrundgespräch mit dem bekannten Journalisten (ML DNES) und seit neuestem Parlamentsabgeordneten Martin Komárek. Otokar Löbl und Andreas Kalckhoff berichteten ihm dabei auch über den aktuellen Stand des Saazer Museumsprojekts. Komárek, der sich seit langem für die deutsch-tschechische Versöhnung einsetzt und in seiner Zeitung die Bemühungen des Fördervereins um eine Gedenktafel in Postelberg positiv begleitet hat, zeigte sich auch von dem Museumsprojekt angetan und wünschte ihm Erfolg.