Glaubensbrüderschaft, Fremdenverkehr und Euroregion Erzgebirge
Von PhDr. Petr Hlaváček, Ph.D., Collegium Europaeum / Univerzita Karlova
Die politischen, wirtschaftliche und kulturellen Kontakte von Saaz zu den angrenzenden sächsischen Gebieten jenseits des Erzgebirges sind archäologisch und schriftlich seit dem 10./ 11. Jahrhundert belegt. Sie nahmen seit der Mitte 13. Jahrhundert zu, als Saaz freie Königsstadt und somit einer der Mittelpunkte Nordwestböhmens wurde. Zum Beispiel legte das Zisterzienserkloster Grünhain aus dem sächsischen Erzgebirge zwischen Saaz und Kaaden die ersten Weinberge an. Das Saazer Bürgertum trieb regelmäßigen Handel u. a. mit Leipzig. Seit dem 15. Jahrhundert lieferte Saaz sein Bier auch in die Bergbaustädte im sächsischen Erzgebirge.
Saaz war seit dem 15. Jahrhundert ein namhafter Stützpunkt des christlichen Nonkonformismus und der böhmischen Reformation. Auf religiös-kulturellem Gebiet ergaben sich deshalb Kontakte besonders zu den Waldensern in Sachsen und Meißen. Saaz war zu diesen Zeiten eine tschechisch-deutsche Stadt mit überwiegend tschechischsprachigen Bewohnern und einer bedeutenden jüdischen Gemeinde.
Im 16. Jahrhundert unterhielt die Stadt Saaz, die eine reich ausgestattete Stadtschule besaß, intensive Beziehungen zur lutherischen Reformation und zur Universität Wittenberg. 1521 predigte der radikale Reformer Thomas Müntzer auf seinem Weg von Sachsen nach Prag auch in Saaz. Der Hebraist Matthäus Aurogallus (Goldhahn) aus Komotau, Rektor der Wittenberger Universität und Mitarbeiter Martin Luthers, besuchte Saaz im Jahre 1529. Viele junge Leute aus Saaz studierten in Wittenberg und Leipzig. 1539 beteiligten sich Saazer Utraquisten in Annaberg an einer theologischen Disputation mit sächsischen Lutheranern. In der Folgezeit wurde Sachsen zum Zufluchtsort für Saazer Utraquisten und Protestanten, die nach 1625 Stadt verlassen mussten. Zentrum des Saazer Exils war das sächsische Freiberg, wo auch der Saazer Bürgermeister Tomáš Dentulín Zuflucht fand.
Im 17. und 18. Jahrhundert waren die kulturellen, religiösen, intellektuellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Saaz und den sächsischen Grenzgebieten wegen der strikten Konfessionalität eher eingeschränkt. Immerhin führte seit 1760 die wichtigste Postkutschenlinie zwischen Prag und Leipzig durch das Saazer Land.
Im Zuge der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Saaz und dem Saazer Land mit dem benachbarten Königreich Sachsen, wobei seit Mitte des Jahrhunderts die jüdische Gemeinde eine bedeutende Rolle spielte. Aus ihr kamen bedeutende Persönlichkeiten des Unternehmertums (besonders im Hopfenhandel), aber auch der Intelligenz, wie zum Beispiel Otto Stein, Professor der Indologie an der Deutschen Universität in Prag, der Kontakte zur Leipziger Universität unterhielt, und 1942 ein Opfer des Holocaust wurde.
In der Zwischenkriegszeit gab es erste Anläufe zu einem tschechisch-sächsischen Fremdenverkehr, in dem das Saazer Land, reich an Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten, eine starke Stellung behauptete. Diese ersprießliche Entwicklung wurde allerdings durch den Schrecken des totalitären deutschen Nationalsozialismus unterbrochen. Dieser zerstörte nicht nur das Zusammenleben der Tschechen, Deutschen und Juden in Saaz, sondern auch die Beziehungen zu den sächsischen Städten Freiberg, Annaberg und anderen. Die zehn Jahre von 1938 bis 1948 führten zuerst zur Unterdrückung der Tschechen in Saaz, die Vernichtung der ansässigen Juden und schließlich zur Vertreibung der deutschsprachigen Saazer. Es folgte die brutale Zerstörung der übrig gebliebenen Sozialstrukturen in der Zeit des Kommunismus.
Die Zeiten von ČSSR und DDR waren für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Saaz und Sachsen nicht günstig. Das änderte sich mit der politischen Wende von 1989, als Tschechen und Sachsen erneut ihre Freiheit erlangten. Heute ist die Stadt Saaz wieder ein bedeutendes regionales Zentrum des Aussiger Kreises und aktives Mitglied in der Euroregion Erzgebirge. Eine Partnerstadt ist Thum im sächsischen Erzgebirge. Die Zukunft der tschechisch-sächsischen Kooperation, in der die Stadt Saaz in der Vergangenheit eine bedeutende Aufgabe hatte, ist wieder offen für neue Herausforderungen. Gerade Saaz mit seiner glanzvollen Geschichte, die mit Tschechen, Deutschen und Juden verbunden ist, kann eine Schlüsselrolle in der tschechisch-deutschen Versöhnung und bei der gemeinsamen Suche nach einer europäischen Identität einnehmen.