Von Hannah Illing, Radio Prag 18. September 2014
Im nordböhmischen Žatec|Saaz hat vergangene Woche eine historische Ausstellung eröffnet: „Die Juden von Saaz“. Sie dokumentiert Geschichte, Kultur und Schicksal der Saazer Juden seit dem Mittelalter. Die 1200 jüdischen Einwohner trugen vor dem Zweiten Weltkrieg bedeutend zum Stadtleben bei. Konzipiert hat die Ausstellung der Förderverein der Stadt Saaz.
Rund 18.000 Einwohner hatte die Stadt Saaz in den 1930er Jahren. Etwa 1200 davon waren Juden. 10-15 von ihnen überlebten den Holocaust und kehrten nach 1945 in ihre Heimatstadt zurück. Dieses Zahlenspiel veranschaulicht aber nur einen Teil der Geschichte der Saazer Juden. Der Vorsitzende des Fördervereins der Stadt Saaz, Otokar Löbl, erzählt:
Die ersten Juden waren nachweislich schon 1350 in Saaz. Das steht so in den Stadtbüchern. Später gab es natürlich auch Pogrome, da sind die Juden teilweise verjagt worden. Aber erst durch die Toleranzgesetze im 18. Jahrhundert haben sich die Juden wieder aus den Dörfern in der Stadt Saaz angesiedelt. Sie haben dann sehr viel Handel getrieben und sich stark am kulturellen und wirtschaftlichen Leben beteiligt.
Heute lebt nur noch eine jüdische Familie in Saaz. Selbst die Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt waren, verließen ihre Heimatstadt bald Richtung Israel. Da die meisten Saazer Juden Deutsch sprachen, wurden sie von der tschechischen Bevölkerung damals nicht gern gesehen, erzählt Löbl. Der Unternehmer hat selbst Wurzeln in der Stadt: Fast alle seine Vorfahren waren Saazer Juden, die im Holocaust in den Vernichtungslagern Treblinka und Auschwitz ermordet wurden. Nur seine Großmutter und eine Tante überlebten. Heute setzt sich Löbl dafür ein, dass die Saazer Juden nicht in Vergessenheit geraten.
Deshalb hat er gemeinsam mit dem Förderverein der Stadt Saaz und mit dem Historiker Andreas Kalckhoff die Ausstellung „Juden in Saaz“ konzipiert. Der Adalbert-Stifter-Verein, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds unterstützen das Projekt.
Es handelt sich um eine Dokumentation mit Bildern und mit einer Schilderung der ganzen Geschichte der Saazer Juden von Anfang an: über die Rabbiner, über die Synagoge und über die Friedhöfe im Saazer Land. Die Ausstellung erzählt auch von der neueren Geschichte und von der Luftbrücke. Nach Vereinbarung können Besucher auch den neu restaurierten jüdischen Friedhof besuchen.
Anders als die Luftbrücke von Berlin ist die „Saazer Luftbrücke“ nur wenigen ein Begriff. Im ersten arabisch-israelischen Krieg im Jahr 1948 fungierte der Saazer Militärflugplatz, dessen Bau kurz vor Kriegsende noch Adolf Hitler in Auftrag gegeben hatte, als Ausgangspunkt für tschechische Waffenlieferungen nach Israel. Das Material stammte teilweise noch aus den ehemaligen Beständen der Wehrmacht.
Da wurden beispielsweise die Messerschmitt-Düsenjäger umgerüstet und nach Israel transportiert. Die Tschechoslowakei hat Israel damals voll unterstützt. So sind über 50 Tonnen Kriegsmaterial und Flugzeuge nach Israel gekommen – überwiegend vom Saazer Flugplatz aus.
Die Ausstellung „Die Juden von Saaz“ ist auch der Auftakt für ein neues Geschichtsmuseum, das in Saaz gerade in Planung ist. Otokar Löbl will es in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem Förderverein und in Zusammenarbeit mit Stadt und Regionalmuseum Saaz verwirklichen. Dann soll auch die aktuelle Ausstellung von der Saazer Synagoge in das Museum umziehen.
Unsere Vision ist ein Museum der tatsächlichen Geschichte der Stadt, in der Juden, Tschechen und Deutsche wechselvoll gelebt haben – zeitweise auch sehr friedlich miteinander.
Die Ausstellung „Die Juden in Saaz“ ist eine Dauerausstellung. Wer sie besichtigen will, muss sich bei der Touristeninformation im Saazer Rathaus den Schlüssel borgen. Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung ist auch im Internet erreichbar unter www.saaz-juden.de