Sudetendeutsche Landsmannschaft verabschiedet sich endgültig vom Revanchismus

Sprecher Bernd Posselt setzt sich mit seinem Reformkurs durch

VON ANDREAS KALCKHOFF
Dr. Andreas Kalckhoff

Dr. Andreas Kalckhoff

Bereits vor ihrem traditionellen Pfingsttreffen 2015 hatten die Sudetendeutschen auf ihrer Bundesversammlung beschlossen, die „Wiedergewinnung der Heimat“ aus den Vereinszielen zu streichen. Eine überwältigende Mehrheit – fast 72 Prozent – hatten dafür gestimmt, doch eine lautstarke Minderheit protestierte wütend und focht die Abstimmung wegen eines Formfehlers an. Jetzt bestätigten die Delegierten der diesjährigen Versammlung die Satzungsänderung mit gleich hoher Stimmenzahl.

Bernd Posselt, langjähriger Europaabgeordneter und Motor der Erneuerungsbewegung bei den organisierten Sudetendeutschen, wurde mit 88 Prozent erneut an die Spitze des Vertriebenenverbandes gewählt. Er hatte zuvor seinen Reformkurs mit Blick auf die nächste Generation verteidigt, die es zu gewinnen gelte. Außerdem habe der Brückenschlag zum tschechischen Volk Priorität bei der landsmannschaftlichen Arbeit im 21. Jahrhundert.

Landsmannschaft im 21. Jahrhundert angekommen

Damit hat sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) endgültig vom Revanchismus verabschiedet. Unter Revanchismus versteht man eine Politik der notfalls gewaltsamen Rückgewinnung verlorener Gebiete, wie sie Frankreich nach dem Verlust von Elsass-Lothringen 1871 gegen Deutschland betrieb. Zwar hatte die SL 1950 in einer Charta der deutschen Heimatvertriebenen auf Rache und Vergeltung verzichtet ­ – als ob es tatsächlich ein Recht darauf gäbe –­, aber ein göttliches Grundrecht auf Heimat deklariert, dessen mögliche Realisierung nebulös blieb.

Die SL wurde da schon deutlicher. Sie behauptete in § 3 ihrer Satzung nicht nur einen „Rechtsanspruch auf die Heimat“, sondern wollte auch „deren Wiedergewinnung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppe durchzusetzen“. Von Gewalt war auch dabei nicht die Rede, aber der Realitätssinn einer solchen Forderung stand doch arg in Frage. Wiedergewinnung durchsetzen – wie denn? Posselt hält denn diese Formulierungen jetzt auch für problematisch: sie könnten „missverstanden werden als Gebietsanspruch, als Wunsch nach Grenzänderung“. Und er fügt hinzu: „Das will doch kein Mensch, der bei Trost ist.“

Partnerschaftliche Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen

Dieser Absatz c in § 3 wurde nun endgültig gestrichen, ebenso die Forderung nach „Rückgabe bzw. gleichwertigem Ersatz oder Entschädigung des konfiszierten Eigentums der Sudetendeutschen“.  Stattdessen seien „Völkermord, Vertreibungen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, menschen- und völkerrechtswidrige Enteignungen sowie Diskriminierungen weltweit zu ächten und dort, wo sie erfolgten, auf der Grundlage eines gerechten Ausgleiches zu heilen“. Nach wie vor bleibe es ein Ziel der SL, „zur Verständigung der Völker in Europa auf der Basis von Wahrheit und Recht, insbesondere zur Herstellung von partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen, beizutragen“.

In Prag wurde die geplante Satzungsänderung bereits 2015 freundlich aufgenommen. Außenminister Lubomír Zaorálek erklärte damals, die Entscheidung sei „eine der Voraussetzungen für eine Verbesserung der Beziehungen“ zu den Sudetendeutschen. Und einer seiner Vorgänger im Amt, Karel Schwarzenberg, forderte die Tschechen auf, nun „ihrerseits Zeichen zu setzen“.