Die Saazer Synagoge, die zweitgrößte in Tschechien, soll Ende 2022 als Kulturhaus und Begegnungsstätte wiedereröffnet werden. Die renommierte Sächsischen Zeitung veröffentlichte dazu nachfolgenden Artikel ihres Prager Korrespondenten unter der Überschrift „Synagoge von Schutt und Taubendreck befreit“. Dazu wurden der Eigentümer Daniel Černý und Otokar Löbl vom Förderverein der Stadt Saaz|Žatec interviewt.
Von Steffen Neumann | 13. Februar 2021
Die bunten Bleiglasfenster der Synagoge in Žatec (Saaz) strahlen neu und bringen Wärme. Die fünf Fenster in der Seitenfront sind nämlich die ersten, die eingesetzt wurden. Die anderen Fensteröffnungen lassen weiter ungehindert Luft hinein, und die ist gerade besonders kalt.
„Wegen der tiefen Temperaturen mussten die Fensterbauer das Kitten unterbrechen“, sagt Daniel Černý. Aber die Fenster sind für ihn, der gerade das Gotteshaus mit den zwei Türmen unweit des alten Ringplatzes sanieren lässt, ein Wendepunkt. „Wir sind von der Phase, in der wir alles einreißen, in die Erneuerung eingetreten“, freut sich Černý.
Dem 48-Jährigen gehört die Synagoge. Dass eine Privatperson Eigentümer der zweitgrößten Synagoge Tschechiens ist, hat mit der Geschichte zu tun.„Vor dem Krieg hatte die jüdische Gemeinde 1.300 Mitglieder, heute ist es gerade mal noch eine Familie“, erzählt Černý. Mit dem im Zuge des Münchner Abkommens erzwungenen Abtritt der Sudetengebiete durch die Tschechoslowakei an Deutschland Ende September 1938 begannen die Nürnberger Rassengesetze auch hier zu gelten und damit die Verfolgung der Juden. Vorher hatte sich schon ein Großteil von ihnen ins Ausland abgesetzt. Wer das nicht schaffte, den ereilte der Tod.
Nur wenige kehrten zurück. Zu ihnen gehörte auch der Vater von Otokar Löbl, der inzwischen in Frankfurt lebt, sich aber seit Jahrzehnten im „Förderverein der Stadt Saaz|Žatec“ für die Erinnerung an das jüdische Leben engagiert. „Fast zwanzig Prozent der Bevölkerung war bis 1938 jüdisch. Das war deutlich mehr als in anderen Städten Tschechiens“, hebt Löbl die Bedeutung der Juden für Žatec heraus, was auch erklärt, warum die Synagoge so groß war.
Am 10. November 1938 wurde in der „Reichskristallnacht“ die ganze Inneneinrichtung vernichtet. „Die Synagoge steht in der dicht bebauten Altstadt. Damit die umliegenden Häuser nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, hat die Feuerwehr den Brand schnell gelöscht. Das hat zumindest die Synagoge als Gebäude gerettet“, erzählt Černý.
Seitdem war der Bau zunächst Lazarett, später Markthalle und am Ende Lagerhaus für landwirtschaftliche Geräte. Als Synagoge wurde sie nie wieder genutzt. Bis 2005 gehörte sie noch der Stadt. Die hatte nur Geld für die nötigsten Reparaturen, sodass sie den Bau zum Verkauf anbot. „Damals sagte ich mir, was muss das für ein Verrückter sein, der die Synagoge kauft“, erzählt Černý, der eigentlich in Chomutov (Komotau) wohnt. „Mein Vater stammt aus Žatec (Saaz). Deshalb verfolge ich, was hier so passiert.“
Tatsächlich fand sich eine Firma, die sich mit dem Kauf verpflichtete, die Fassade zu sanieren. Doch kaum war die Fassade saniert, ging die Firma pleite und das Schicksal der Synagoge war wieder offen.
Da fasste Černý den Entschluss, selbst zum „Verrückten“ zu werden und die Synagoge zu kaufen. Das war 2012. „Ich war der einzige Bieter und zahlte den Startpreis von 3,6 Millionen Kronen (140.000 Euro, Anm. d. Red.).“ Černý ist nicht der Typ „reicher Mäzen“. Zwar ist er Miteigentümer einer gut gehenden Familienfirma für Materialprüfung. Aber die Synagoge sanieren geht doch über seine Verhältnisse. „Das war anfangs auch nicht der Plan. Wir mussten die Synagoge zwar erst mal von Taubendreck und Schutt befreien, aber die Substanz war intakt, sodass wir gleich begannen, Konzerte und Ausstellungen zu veranstalten.“
Dazu gehörte 2014 auch die Ausstellung über die Saazer Juden vom Mittelalter bis in die Nachkriegszeit des „Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec“. „Wir sind sehr froh, dass es mit der Synagoge vorangeht“, sagt Otokar Löbl, der Vorsitzende des Fördervereins. Die Ausstellung ist gerade in die neue Galerie am Rathaus ausgelagert, aber wegen der Corona-Bestimmungen geschlossen. Wenn die Synagoge fertig ist, soll die Ausstellung wieder dahin zurückkehren.
Für Daniel Černý ist am wichtigsten, dass wieder Leben in die Synagoge einkehrt. Dazu passt, dass er sich schon länger für öffentliche Belange einsetzt. Seit zehn Jahren sitzt er im Kommunalparlament von Chomutov (Komotau). Zwei Jahre war er sogar Oberbürgermeister. Die Synagoge ist nicht das erste historische Gebäude, das er rettet. In Kadaň (Kaaden) kaufte er eine alte Handschuhfabrik, in Chomutov das einstige Kaufhaus Julius Meinl.
Die Synagoge wollte Černý eigentlich nach und nach sanieren. Doch dann bot sich vor zwei Jahren dank der Aufnahme von Žatec (Saaz) auf das Indikativverzeichnis der Kandidaten für den UNESCO-Welterbe-Titel die Chance, EU-Fördermittel für die komplette Sanierung nicht nur der Synagoge, sondern auch des benachbarten Rabbinerhauses zu erhalten. Die Kosten belaufen sich auf 55 Millionen Kronen (über zwei Millionen Euro), 15 Prozent davon muss Černý bzw. der Verein der Freunde der Synagoge von Žatec tragen. „Das geht nur mit Krediten. Aber ich konnte auch schon einige Sponsoren gewinnen“, sagt er und hofft auf noch mehr Unterstützer.
Die Synagoge, die unter Denkmalschutz steht, soll außen so original wie möglich wiederhergestellt werden. Da sie nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird und die Inneneinrichtung fehlt, hat sich Černý in Absprache mit dem Denkmalamt für eine modernere Gestaltung entschieden.
Neben Veranstaltungen wird die Synagoge normal für Besucher zur Besichtigung geöffnet. Im Rabbinerhaus entstehen ein Informationszentrum, Sanitärräume und eben die Ausstellung über die Juden von Saaz. Dafür will Černý zeitgenössische Möbel anschaffen. Läuft alles nach Plan, kann die Synagoge im 150. Jahr ihrer Weihe, Ende 2022 eröffnen.