ACKERMANN UND DER TOD die Vernissage der Ausstellung über das Leben und Werk von den Saazer Stadtnotar des berühmten Werkes „Der Ackermann aus Böhmen“, am 4. Mai 2022 im Foyer des Archäologischen Museum in Frankfurt am Main. Nach der Begrüßung durch den Direktor Dr. Wolfgang David, erfolgte eine Vorstellung der Ackermann Gemeinde von den Vorsitzenden Peter Hoffmann. Es folgte ein Grußwort der hessischen Regierung von der Beauftragten Frau Ziegler-Raschdorf. Der Kurator der Ausstellung und Vorsitzender des Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec Otokar Löbl führte die Besucher in das Thema ein und berichtete über die Entstehung der Ausstellung
Impressionen der Vernissage


























Der Ackermann und der Tod
Wir laden ein zur der Vernissage im Hause der Volksarbeit in Frankfurt am Main

Der Ackermann und der Tod (Ausstellung)
ACKERMANN UND DER TOD die Vernissage der Ausstellung am 4. Mai 2022 im Foyer des Archäologischen Museum in Frankfurt am Main. Nach der Begrüßung durch den Direktor Dr. Wolfgang Davidn, erfolgte eine Vorstellung der Ackermann Gemeinde von den Vorsitzenden Peter Hoffmann. Es folgte ein Grußwort der hessischen Regierung von der Beauftragten Frau Ziegler-Raschdorf. Der Kurator der Ausstellung und Vorsitzender des Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec Otokar Löbl führte die Besucher in das Thema ein und berichtete über die Entstehung der Ausstellung








Saazer Rathausturm lockt mit einer Ausstellung und einem interessantem Rundblick
Die neue Ausstellung entstand im Rahmen der kürzlich abgeschlossenen umfangreichen Restaurierung des Saazer Rathauses und wurde zu einer Attraktion, mit der Touristen ihre Besichtigungstour durch die Königsstadt beginnen können. Im Turm können sie viele interessante Fakten aus Jahrtausenden Jahren Geschichte erfahren. Von der Galerie des Turms haben sie einen Rundblick auf die Stadt, wie sie heute ausschaut.
Von Tomáš Kassal | Žatecký.Deník.cz 14. Juli 2021
Die Ausstellung entstand in einem Team von Künstlern wie den Architekten Miloslav Čejka und Jana Šmidtová von der Abteilung Stadtentwicklung sowie den Mitarbeitern des Regionalmuseums K. A. Polánek in Saaz, Milada Krausová und Monika Merdová.
Der Spaziergang durch die reiche Geschichte der Stadt und des Rathauses ist in sieben Teile gegliedert. „Wir haben uns darauf geeinigt, im Erdgeschoss mit Architektur und Zeitstrahl zu beginnen. Für die oberen Etagen hat Milada Krausová, die Museumshistorikerin und Hauptautorin der Ausstellungkonzeption, weitere interessante Ereignisse aus der Geschichte von Žatec gewählt, die mit dem Rathaus zusammenhängen“, erklärte Monika Merdová vom Regionalmuseum.

Die Ausstellung vermittelt zahlreiche historische Daten, aber die Besucher sollen auch unterhalten und dadurch zu einem Besuch der Sehenswürdigkeiten der Stadt verführt werden. „Es ist eher ein Spektakel als eine klassische Ausstellung. Es geht darum, dass die Leute Spaß haben“, sagt Miloslav Čejka, ein akademischer Architekt, der auch die Ausstellung „Mammutjäger“ im Nationalmuseum gestaltet hat.
„Bei der Vorbereitung eines solchen Projekts sind nicht nur historische Genauigkeit und Bedeutsamkeit, sondern auch attraktives Aussehen und interaktive Qualität eine Selbstverständlichkeit. Die gesamte Ausstellung sollte von Anfang an in Zusammenarbeit zwischen Architekt, Historikern und anderen Berufsgruppen entstehen, und das ist im Rathausturm gelungen. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet, unsere Ideen haben sich gegenseitig ergänzt“, rühmt M. Merdová den Teamgeist der Ausstellungsmacher.
Die Ausstellung bietet historische Grunddaten. Sie stellt interessante Persönlichkeiten vor, die in Žatec lebten, aber auch solche, die die Stadt besuchten, wie Könige und Kaiser. Sie nimmt die Rathausuhr in den Fokus, die Kriegsereignisse, rekonstruiert aber auch, was an der Stelle des heutigen Hopfenhauses stand oder gestanden haben soll – eine Kirche, ein Wachhaus und vielleicht auch ein Theatergebäude.

Die Ausstellung ist täglich um 10 Uhr, 13 Uhr und 15 Uhr oder nach Vereinbarung zu anderen Zeiten für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Eintrittspreis beträgt 80 CZK (Erwachsene) und 40 CZK (ermäßigt) und wird im Touristeninformationszentrum neben dem Hopfenhaus verkauft, wo Führer die Besucher auf den Turm führen.
Fernsehbericht zur Ausstellung von Televize ok plus Žatec:
Ein Leben für Wahrheit und Versöhnung
Nachruf auf eine bewundernswerte Frau: Uta Reiff 1938–2021

Uta Reiff wurde als Kind Opfer der schrecklichen Nachkriegsereignisse in Saaz. Sie verlor ihren Vater und wäre beinahe verhungert. Entschlossen, den Zirkel von Verletzung und Rache zu durchbrechen, trat sie für Versöhnung mit den Tschechen ein. Dazu gehörte die Anerkennung des Leids auf beiden Seiten und ein zukunftsgerichteter Blick. Im Heimatkreis Saaz und als Gründungsmitglied des Fördervereins der Stadt Saaaz|Žatec setzte sie sich erfolgreich für diese Ziele ein. Der Förderverein trauert um sie.
„Ich bin im Jahre 1938 in Asch geboren“, begann ihre Erzählung, wann immer sie nach ihrer Heimat befragt wurde. Asch (Aš) liegt im äußersten Nordwesten von Deutschböhmen, nur einen Katzensprung von der bayerischen Stadt Hof entfernt. Doch Kindheitserinnerungen hatte sie erst an Saaz. Ihr Vater war dort Gymnasialdirektor, sie wuchs auf in einer Dienstwohnung mit „einem großen Garten, in dem wir gespielt haben. Es gab auch eine große Schaukel. Ich erinnere mich an diese Zeit als eine sehr schöne Zeit als Kind.“ Aber dieses Paradies währte nur kurz. Am 1. Juni 1945, knapp einem Monat nach Friedensschluss, füllten sich die Straßen von Saaz mit tschechischen Uniformen, und damit begann für die deutsche Bevölkerung eine Zeit des Schreckens. Die machte auch vor Kindern nicht halt.

Uta Reiff kam am 29. August 1938 zur Welt, einen Monat später besetzten deutsche Truppen das „Sudetenland“, ein halbes Jahr darauf den Rest von Böhmen und Mähren. Dies wer das Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg, den Hitler allen Friedensbeteuerungen zum Trotz vom Zaun brach. Utas Vater Alfred Jäckel, Jahrgang 1900, hatte im Ersten Weltkrieg den Rock des Kaisers in Wien getragen, danach diente er in der tschechischen Armee. Nun musste er noch einmal ins Feld, diesmal für den „Führer“. Nachdem er zunächst altershalber verschont geblieben war, kam er 1943 an die Ostfront. Da war Uta fünf.
Als der Vater nach zwei Jahren von der Front zurückkehrte, glaubte Uta, sie hätte ihren Vater wieder. Doch kaum daheim, wurden er und ihr Bruder Hans mit der männlichen Bevölkerung ins Lager Postelberg (Postoloprt) verschleppt. Von dort kehrte Utas Vater nicht mehr zurück, er wurde Opfer der Massenerschießungen. Der sechzehnjährige Hans Jäckl kam zur Zwangsarbeit ins Bergwerk nach Kladen (Kladow), wo er nur knapp überlebte. Uta selbst wurde mit ihrer Mutter und dem neunjährigen Bruder Bernd in ein Frauenlager gesteckt. Acht Monate dauerte die Internierung, dann wurde die Restfamilie im Viehwaggon über die bayerische Grenze abtransportiert.

„Für die siebenjährige Zugehörigkeit zum Deutschen Reich haben wir Sudetendeutschen hart bezahlt“, klagte Uta Reiff in ihrer Gedenkrede auf dem Postelberger Friedhof 2010. Es war diese Ungerechtigkeit, mit der sie lange haderte. Vor allem den Tod ihres Vaters konnte sie lange nicht überwinden. Alfred Jäckel war als Beamter Mitglied der Nazi-Partei, Aber er galt auch, wie die Mutter erzählte, als Freund der Tschechen und Juden. Denen, die nach dem deutschen Einmarsch Saaz verlassen wollten oder mussten, half er beim Übersetzen ihrer deutschen Dokumente. Dennoch wurde er als Vertreter der deutschen Besatzungsmacht erschossen, ohne Prozess, nachts im Wald mit vielen anderen.
Die Bewältigung dieser Erfahrungen bestimmte einen Großteil ihres Lebens. Über das Studium der Psychotherapie fand sie einen Weg, Frieden mit den schrecklichen Kindheitserlebnissen zu machen. Rache und Vergeltung seien nicht die Lösung, erklärte sie später. Die Opfer dürften sich nicht zu Tätern machen und umgekehrt. Dabei sei es nötig, Leid anzuerkennen. „Ja, das war so, und es war ganz schrecklich“: in diesem Satz läge oft die Lösung innerer wie äußerer Konflikte. Dies sei nicht nur eine psychische Hilfe für die verletzten Opfer, sondern auch für den Seelenfrieden der Täter. Deshalb wirkte Uta Reiff ihr Leben lang darauf hin, das Leiden der Sudetendeutschen öffentlich – heute würde man sagen „sichtbar“ – zu machen. Sie wünschte sich, dass es auch in Tschechien anerkannt würden.

Womit hatten Uta und ihre Geschwister dieses Leiden verdient? Der halbwüchsige Hans wurde in der Steinkohlengrube beinahe zu Tode geschunden und erholte sich zeitlebens nicht von dieser Tortur, körperlich wie seelisch. Uta selbst wäre, wie viele andere Kinder, beinahe verhungert. Sie war am Ende so unterernährt, dass sie keine reguläre Nahrung mehr zu sich nehmen konnte. Im Fürther Kinderspital wurde sie langsam wieder aufgepäppelt. Die Monate im Lager, als sie auf dem Rücken ihrer Mutter schlafen musste, um diese vor Vergewaltigung zu schützen: „Es war alles schrecklich für mich. Das hat auch meine Einstellung zu Männern sehr beeinflusst. Als Frau hatte ich große Angst vor Männern.“
Die Anerkennung des Leidens und Sichtbarmachung des mörderischen Geschehens gelang, auch dank des Einsatzes von Uta Reiff, mit der Anbringung einer Gedenktafel durch den Stadtrat von Postelberg. „Wir wollen nicht anklagen, wir wollen klagen“, erklärte sie in ihrer Gedenkrede dazu. „Wir wollen einer tiefen Traurigkeit Ausdruck geben, die seit fünfundsechzig Jahren in uns ist. Wir hatten bisher keinen Platz zu trauern, keinen Platz, um Blumen und Kränze niederzulegen – hier an diesem Ort dieser furchtbaren Ereignisse.“

Doch ging es ihr nicht nur um den Schmerz der Opfer, sondern auch um die leidvollen Ursachen, die dem Schrecken von Postelberg vorausgegangen waren. Immer wieder betonte sie, dass es ohne die deutsche Besetzung Tschechiens und die Begeisterung der Sudetendeutschen für Hitler keine Vertreibung gegeben hätte. Dabei wies Uta Reiff jede Kollektivschuld von sich. „Es sind immer Einzelne oder Gruppen aus einem Volk, die Gräueltaten begehen.“ Als Beispiel dafür, dass nicht alle Tschechen Täter waren und schon gar nicht die tschechischen Nachbarn in Saaz, erzählte sie die Geschichte vom Herrn Kratochvil, dem Straßenkehrer. Wenn er bei ihnen vorbeikam, lud ihn die Mutter oft zu einer Vesper mit Kaffee ein. Dafür warf dieser ihnen, den Kindern, später Wurstbrote durch den Zaun zu. Bis eine Wache sie erwischte und windelweich prügelte. „Herr Kratochvil hat sich dann nicht mehr getraut zu kommen.“
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass jede Flucht oder Vertreibung zwei Seiten hat, das Verlassen und das Ankommen. Für die sogenannten „Flüchtlinge“ war nach dem Krieg das Ankommen in Deutschland oft nicht einfach. An den Aufnahmelagern lag das nicht: „Dort bekamen wir warme Kleidung und warmes Essen. Das Lager war menschlich eingerichtet.“ Für die Ansässigen waren sie dagegen lange unwillkommene Fremde: „Die Leute haben gesagt: Wenn ihr euch bei den Tschechen gut aufgeführt hättet, dann hätten die euch auch behalten.“ Solche Feindseligkeiten erlebten damals viele Flüchtlinge bis weit die fünfziger Jahre.
Uta Reiffs Kampf um einen Ort zu trauern ist nicht zu verstehen ohne ihr Bemühen um Versöhnung. Immer wieder fuhr sie nach Saaz, suchte Freundschaften mit Tschechen, tauschte Erfahrungen aus und stand gern zur Verfügung für Zeitzeugenbefragungen in tschechischen Schulen. Sie wusste, dass es keine Wahrheit gibt ohne Wissen und ohne Wissen kein vernünftiges Handeln. Um sich besser verständlich machen zu können, lernte sie noch im Alter Tschechisch. Für sie war dies wohl ein Abschluss des Versöhnungsprozesses. Gemeinsame Sprache muss nicht, aber kann zu Verbundenheit führen.

Es waren auch diese Erfahrungen, die Uta Reiff motivierten, sich später um Vertriebene und Flüchtlinge aus den aktuellen Kriegsgebieten zu kümmern, die „Migranten“. Hinter dem humanistischen Antrieb verbarg sich die Fähigkeit, Schicksalsschlägen mit positivem Handeln zu begegnen. Als sie durch einen Autounfall ihre zehnjährige Tochter verlor, verwandelte diese bewundernswerte Frau ihre tiefe Trauer in den Entschluss, einen farbigen Buben, Oliver, zu adoptieren und ihn zusammen mit ihrer zweiten Tochter Annette aufzuziehen.
Uta Reiff mit ihren Kindern Oliver und Annette
„Das Wichtigste ist, die Menschen zu lieben“, erklärte sie dazu. „Liebe steht über allem, es spielt keine Rolle, ob man weiß oder schwarz ist, Liebe ist das Einzige, was jeder braucht. Die Menschen sehen unterschiedlich aus, aber sie sind alle Gottes Geschöpfe.“ Mit solcher Menschenliebe kann man selbst über das Schlimmste hinwegzukommen. Es braucht dazu aber auch einen Menschen, bei dem man Halt und Unterstützung findet. Es war dies ihr Ehemann Dr. med. Adalbert Reiff.

Uta Reiff war eine Frau mit vielen Talenten, die sie in einer Reihe von Berufen als Lehrerin, Buchhalterin, Dolmetscherin und Familientherapeutin bewies. Sie engagierte sich im Heimatkreis Saaz der Sudetendeutschen Landsmannschaft und im Förderverein der Stadt Saaz|Žatec mit ihrem Wissen, ihrer Tatkraft, ihrer Empathie. Dafür machte der Förderverein sich ihr Projekt, die Gedenktafel in Postelberg, zu eigen. Sie war auch langjährige Vorsitzende des Amberger Oratorienchors.
Uta Reiff starb starb 16. März 2021 in Amberg. Die Welt ist ärmer ohne sie.

Uta Reiffs Grabstätte auf dem Amberger Katharinenfriedhof.
Trauerrede von Uta Reiff, Postelberg 2010
Gedenkfeier zur Enthüllung der Gedenktafel für die Postelberg-Opfer
Die Gedenktafel in Postelberg und ihre Geschichte
Saazer Synagoge wird saniert
Die Saazer Synagoge, die zweitgrößte in Tschechien, soll Ende 2022 als Kulturhaus und Begegnungsstätte wiedereröffnet werden. Die renommierte Sächsischen Zeitung veröffentlichte dazu nachfolgenden Artikel ihres Prager Korrespondenten unter der Überschrift „Synagoge von Schutt und Taubendreck befreit“. Dazu wurden der Eigentümer Daniel Černý und Otokar Löbl vom Förderverein der Stadt Saaz|Žatec interviewt.
Von Steffen Neumann | 13. Februar 2021

Die bunten Bleiglasfenster der Synagoge in Žatec (Saaz) strahlen neu und bringen Wärme. Die fünf Fenster in der Seitenfront sind nämlich die ersten, die eingesetzt wurden. Die anderen Fensteröffnungen lassen weiter ungehindert Luft hinein, und die ist gerade besonders kalt.
„Wegen der tiefen Temperaturen mussten die Fensterbauer das Kitten unterbrechen“, sagt Daniel Černý. Aber die Fenster sind für ihn, der gerade das Gotteshaus mit den zwei Türmen unweit des alten Ringplatzes sanieren lässt, ein Wendepunkt. „Wir sind von der Phase, in der wir alles einreißen, in die Erneuerung eingetreten“, freut sich Černý.
Dem 48-Jährigen gehört die Synagoge. Dass eine Privatperson Eigentümer der zweitgrößten Synagoge Tschechiens ist, hat mit der Geschichte zu tun.„Vor dem Krieg hatte die jüdische Gemeinde 1.300 Mitglieder, heute ist es gerade mal noch eine Familie“, erzählt Černý. Mit dem im Zuge des Münchner Abkommens erzwungenen Abtritt der Sudetengebiete durch die Tschechoslowakei an Deutschland Ende September 1938 begannen die Nürnberger Rassengesetze auch hier zu gelten und damit die Verfolgung der Juden. Vorher hatte sich schon ein Großteil von ihnen ins Ausland abgesetzt. Wer das nicht schaffte, den ereilte der Tod.

Nur wenige kehrten zurück. Zu ihnen gehörte auch der Vater von Otokar Löbl, der inzwischen in Frankfurt lebt, sich aber seit Jahrzehnten im „Förderverein der Stadt Saaz|Žatec“ für die Erinnerung an das jüdische Leben engagiert. „Fast zwanzig Prozent der Bevölkerung war bis 1938 jüdisch. Das war deutlich mehr als in anderen Städten Tschechiens“, hebt Löbl die Bedeutung der Juden für Žatec heraus, was auch erklärt, warum die Synagoge so groß war.
Am 10. November 1938 wurde in der „Reichskristallnacht“ die ganze Inneneinrichtung vernichtet. „Die Synagoge steht in der dicht bebauten Altstadt. Damit die umliegenden Häuser nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, hat die Feuerwehr den Brand schnell gelöscht. Das hat zumindest die Synagoge als Gebäude gerettet“, erzählt Černý.
Seitdem war der Bau zunächst Lazarett, später Markthalle und am Ende Lagerhaus für landwirtschaftliche Geräte. Als Synagoge wurde sie nie wieder genutzt. Bis 2005 gehörte sie noch der Stadt. Die hatte nur Geld für die nötigsten Reparaturen, sodass sie den Bau zum Verkauf anbot. „Damals sagte ich mir, was muss das für ein Verrückter sein, der die Synagoge kauft“, erzählt Černý, der eigentlich in Chomutov (Komotau) wohnt. „Mein Vater stammt aus Žatec (Saaz). Deshalb verfolge ich, was hier so passiert.“

Tatsächlich fand sich eine Firma, die sich mit dem Kauf verpflichtete, die Fassade zu sanieren. Doch kaum war die Fassade saniert, ging die Firma pleite und das Schicksal der Synagoge war wieder offen.
Da fasste Černý den Entschluss, selbst zum „Verrückten“ zu werden und die Synagoge zu kaufen. Das war 2012. „Ich war der einzige Bieter und zahlte den Startpreis von 3,6 Millionen Kronen (140.000 Euro, Anm. d. Red.).“ Černý ist nicht der Typ „reicher Mäzen“. Zwar ist er Miteigentümer einer gut gehenden Familienfirma für Materialprüfung. Aber die Synagoge sanieren geht doch über seine Verhältnisse. „Das war anfangs auch nicht der Plan. Wir mussten die Synagoge zwar erst mal von Taubendreck und Schutt befreien, aber die Substanz war intakt, sodass wir gleich begannen, Konzerte und Ausstellungen zu veranstalten.“
Dazu gehörte 2014 auch die Ausstellung über die Saazer Juden vom Mittelalter bis in die Nachkriegszeit des „Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec“. „Wir sind sehr froh, dass es mit der Synagoge vorangeht“, sagt Otokar Löbl, der Vorsitzende des Fördervereins. Die Ausstellung ist gerade in die neue Galerie am Rathaus ausgelagert, aber wegen der Corona-Bestimmungen geschlossen. Wenn die Synagoge fertig ist, soll die Ausstellung wieder dahin zurückkehren.

Für Daniel Černý ist am wichtigsten, dass wieder Leben in die Synagoge einkehrt. Dazu passt, dass er sich schon länger für öffentliche Belange einsetzt. Seit zehn Jahren sitzt er im Kommunalparlament von Chomutov (Komotau). Zwei Jahre war er sogar Oberbürgermeister. Die Synagoge ist nicht das erste historische Gebäude, das er rettet. In Kadaň (Kaaden) kaufte er eine alte Handschuhfabrik, in Chomutov das einstige Kaufhaus Julius Meinl.
Die Synagoge wollte Černý eigentlich nach und nach sanieren. Doch dann bot sich vor zwei Jahren dank der Aufnahme von Žatec (Saaz) auf das Indikativverzeichnis der Kandidaten für den UNESCO-Welterbe-Titel die Chance, EU-Fördermittel für die komplette Sanierung nicht nur der Synagoge, sondern auch des benachbarten Rabbinerhauses zu erhalten. Die Kosten belaufen sich auf 55 Millionen Kronen (über zwei Millionen Euro), 15 Prozent davon muss Černý bzw. der Verein der Freunde der Synagoge von Žatec tragen. „Das geht nur mit Krediten. Aber ich konnte auch schon einige Sponsoren gewinnen“, sagt er und hofft auf noch mehr Unterstützer.
Die Synagoge, die unter Denkmalschutz steht, soll außen so original wie möglich wiederhergestellt werden. Da sie nicht mehr als Gotteshaus genutzt wird und die Inneneinrichtung fehlt, hat sich Černý in Absprache mit dem Denkmalamt für eine modernere Gestaltung entschieden.

Neben Veranstaltungen wird die Synagoge normal für Besucher zur Besichtigung geöffnet. Im Rabbinerhaus entstehen ein Informationszentrum, Sanitärräume und eben die Ausstellung über die Juden von Saaz. Dafür will Černý zeitgenössische Möbel anschaffen. Läuft alles nach Plan, kann die Synagoge im 150. Jahr ihrer Weihe, Ende 2022 eröffnen.
Erinnerung an das jüdische Saaz
Die jüdischen Bürger haben Saaz mitgeprägt. Unter dem Nationalsozialismus wurden sie ausgelöscht. Die Brandschatzung der Synagoge war der Anfang dazu – Gedenken an die „Reichskristallnacht“ 1938.

Auch dieses Jahr haben der Förderverein der Stadt Saaz|Žatec mit Unterstützung des heimischen Vereins der „Landsleute und Freunde der Stadt Saaz“ und der Stadt Saaz selbst an die Vertreibung und Ermordung der Juden durch das Nazi-Regime gedacht. Bei dem Festakt in der außen schön renovierten, aber innen immer noch wüsten Synagoge sprachen unter anderem die Bürgermeisterin, Frau Senatorin Zděnka Hamousová, der israelische Botschafter J. E. Meron sowie Hans Peter Hinrichsen von der deutschen Botschaft. Der Saazer Gesangschor unter Leitung von Alžběta Urbancová begleitete die Veranstaltung. Die Hotelfachschule sorgte für das leibliche Wohl der Gäste.
Oben: Der Saazer Chor singt das jüdische Volkslied „Schalom Alechem“ (Friede sei allen!)
Unter den Rednern war auch Gabriela Becková, Enkelin des einzigen Überlebenden der jüdischen Gemeinde von Saaz. In kurzen bewegenden Worten erinnerte sie an das Schicksal der Saazer Juden. Otokar Löbl, Vorsitzender des Fördervereins, rief ins Gedächtnis, in welcher Weise jüdische Bürger die Saazer Geschichte einst wirtschaftlich und kulturell mitbestimmt haben. Viele der repräsentativen Bürgerhäuser, die heute zur Attraktivität der Stadt beitragen, vor allem am Marktplatz, sind ihnen zu verdanken, ebenso die historischen Speicher und Kontoren des Hopfenhandeln, die jetzt unter Denkmalschutz stehen und Museen beherbergen.
Nachdenklich machte dabei Löbl Hinweis, dass die Saazer und böhmischen Juden von der Geschichte zweimal bestraft wurden: zuerst von deutschen Rassisten, die ihnen das Lebensrecht absprachen, und danach vom tschechischen Staat, der jüdische Überlebende und Erben als Deutsche enteigneten. Heute wirbt die Stadt nicht zuletzt mit jenen Bauten, die jüdischem Fleiß und Unternehmungsgeist zu verdanken sind, um den UNESCO-Titel „Weltkulturerbe“. Es wäre angemessen, sich dafür am Erhalt jüdischer Denkmäler in besonderer Weise zu beteiligen.

Presse und Fernsehen in Aktion: Interview mit dem israelischen Botschafter J. E. Meron
Oben: Fernsehbericht “Erinnerung an die Kristallnacht 1938” des tschechischen Senders OKplus