Der jüdisch-böhmische Historiker sprach im Bayerischen Landtag über die Böhmisch-Bayerische Geschichte
Herget-Verlag, Weßling
Toman Brod wurde 1929 in Prag geboren. Während der Besatzung der Tschechoslowakei und des Zweiten Weltkriegs war er drei Jahre lang in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau, welches er durch Zufall überlebte, und Groß-Rosen inhaftiert. Nach dem Krieg und der Beendigung des Studiums war er als Historiker tätig und widmet sich bis heute historischen Studien. Er erkannte, daß ein ein Staat mit einem Nationalitätenmosaik nur dann langfristig Bestand haben kann, wenn ihn alle Ethnien als ihren Staat annehmen und ihre gegenseitige Gleichberechtigung anerkennen. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der nationalsozialistischen Politik und dem tschechoslowakischen Widerstand. Sein größtes Werk in den vergangenen Jahren war seine Studie über den tschechoslowakischen Weg in die sowjetische Abhängigkeit in den Jahren 1939-1948, die im Jahr 2002 vom Verlag Academia unter dem tschechischen Titel „Der Schicksalhafte Irrtum des Edvard Beneš„ veröffentlicht wurde.
Nach dem 2. WK. wurde Brod Kommunist, wandelte jedoch seine Überzeugung, unterzeichnete die Charta 77 und hat so vieles Wahres und Weises zu sagen. Nicht zuletzt deshalb soll er dem deutschen Publikum nahe gebracht werden. Brods Einsatz gegen Totalitarismus, gegen die Ächtung und Verfolgung Andersgläubiger und Anderssprachiger und sein Einsatz für Menschenrechte und Verständigung innerhalb der tschechischen Gesellschaft sowie zwischen slawischsprachigen und deutschsprachigen Menschen der Böhmischen Länder ist vorbildhaft.
Zitat aus Brod’s Vortrag bei den Marienbader Gesprächen:
Wenn wir den Inhalt des Begriffs „Kollektivschuld“ untersuchen, gelangen wir zu dem Schluß, daß eigentlich nichts dergleichen existiert. Eine Schuld kann nur konkret, individuell sein, jeder Mensch kann sich nur für solche Taten verantworten, die er selbst begangen hat. Niemand kann die Verantwortung für das Vergehen eines anderen übernehmen, selbst wenn der sein Nächster oder gar Verwandter wäre.
Jene niederen Prinzipien der Kollektivschuld, zwar unsinnig, aber dennoch nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart angewendet, sind selbstverständlich höchst verwerfliche Ideen und Praktiken, die unzähligen Angehörigen verschiedenster Gemeinschaften unermessliches Unglück, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, Hunderttausenden, ja Millionen unschuldiger Menschen den Tod gebracht haben. Das Prinzip der Kollektivschuld, das Menschen nur wegen ihrer Nationalität, Religion oder Rasse ächtet, ist absolut inakzeptabel für eine demokratische, humanistische Gesellschaft überall auf der Welt.
Es ist das Ziel, eine vertiefte Auseinandersetzung in Deutschland mit dem Thema – Toleranz mit ethnischen, religösen oder Sprachminderheiten in der Nachbarschaft – anzuregen. Dies ist in Deutschland wie der tschechischen Republik aktuell. Der Blick auf damals soll helfen, den auf das Heute zu schärfen.
Oder wie treffend Dr. Toman Brod festhält, ein schlechtes Gedächtnis sollte für niemanden eine Quelle für ein gutes Gewissen sein.
Wir trauern um Pepi Hasenöhrl (1922-2012)
Der Förderverein der Stadt Saaz|Žatec trauert um seinen langjährigen Stellvertretenden Vorsitzenden, den jüngst verstorbenen Dipl. Ing. Josef-Hans („Pepi“) Hasenöhrl aus Frankfurt am Main. Sein entschiedenes Engagement für den „Saazer Weg“ der Verständigung mit Tschechen und Slowaken unter dem Motto „Versöhnung durch Wahrheit“ bleibt unvergessen. Dabei hat er die Arbeit des Vereins mit großzügigen Spenden unterstützt und viele gemeinsame Projekte und Begegnungen von Deutschböhmen und Tschechen im Geiste historischer Wahrheit, völkerverbindender Versöhnung und zukunftsorientierter Zusammenarbeit ermöglicht. Als gutem Katholiken, als der er sich verstand, rufen wir ihm nach: requiescam in pacem – Ruhe in Frieden, lieber Peppi!
Josef Hasenöhrl wurde 1928 in Podersam geboren. Seine Mutter war Saazerin. Der Vater, Stellwerkswächter bei der Eisenbahn, starb bereits 1942. Als Siebzehnjähriger erlebte er den Nachkriegsterror gegen die Deutschen in seiner böhmischen Heimatstadt, mußte Zwangsarbeit leisten und wurde ab 1948 zusammen mit seiner Mutter im Uranbergwerk St. Joachimsthal eingesetzt. Nach zwölfjähriger Schachtarbeit, zuletzt in Přibram, kam er endlich frei. Mittlerweile im Besitz der tschechischen Staatsbürgerschaft, studierte er Ingenieurswissenschaft und brachte es danach bis zum Firmenleiter. 1973 verließ es trotzdem das Land und schaffte in Deutschland eine zweite Karriere, die ihn zum wohlhabenden Mann machte.
Was uns in Erinnerung bleibt, ist nicht zuletzt sein fröhliches Wesen, seine Lebenslust und Großzügigkeit und die unerschöpfliche Erzählfreude, mit der er kein Detail seines erlebnisreichen Lebens ausließ. Trotz seiner schweren Jugend und seinen teilweise negativen Erfahrungen mit den tschechischen Landleuten verharrte er nicht in Zorn und Bitterkeit, zeigte sich nicht rachsüchtig, sondern versöhnlich und großmütig. Gleichwohl bestand er auf der Aufklärung von Nachkriegsverbrechen und suchte unter Einsatz erheblicher finanzieller Eigenmittel nach einem Massengrab in Podersam, von dessen Existenz er wusste. Trotz Luftbildfotografie hat er es leider nicht gefunden. Den ermordeten Nachbarn aus Podersam hätte er gerne eine ordentliche Begräbnisstätte verschafft.
Ausstellung „Wilde Vertreibung“ in Wiesbaden
Plakat der Ausstellung „Wilde Vertreibung“ in Wiesbaden
2.-28. November 2012
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Besuch aus Israel
Am 30. Oktober 2012 besuchte Jane Vogel-Kohai aus Israel die Stadt Saaz. Sie ist Urenkelin des Saazer Rabbiners Aron Baerwald. Baerwald ist am am 9. Februar 1854 in Nakel a. d. Netze in Posen geboren. Er besuchte das Gymnasium Lissa i. P. und erfuhr dort seinen ersten Talmudunterricht bei seinem Onkel, dem Talmudisten R. Hamburger. 1873 bezog er das Jüdisch-theologische Seminar der Universität Breslau. 1877 promovierte mit der Arbeit „Flavius Josephus in Galiläa“ zum Doktor. 1881 wurde er nach bestandenem Examen zum Rabbiner in Saaz erwählt, wo er mit 36 Jahre am 3. Jänner 1891 gestorben ist und begraben ist. Sein Sohn Dr. Leo Baerwald wurde später Rabbiner in München.
Frau Vogel-Kohai wurde von Herr Šimáček und von Frau Becková im Namen des Fördervereins bzw. der jüdischen Gemeinde herzlichst willkommen geheißen. Man zeigte ihr die Reste des jüdischen Leben in Saaz, die Synagoge und den jüdischen Friedhof. Besonders interessiert war sie auch an den Plätzen, wo der Film „Yentl“ gedreht worden war. Sie versprach, bald wiederzukommen und den Förderverein in seinen Aktivitäten zu unterstützen.
Auf den Spuren des Antisemitismus in Böhmen
Israelische Journalisten informieren sich über die verschwundenen Juden von Saaz
Eine hochrangige Delegation israelischer Journalisten in Begleitung des neuen Leiters des Tschechischen Hauses in Tel Aviv, Lukas Prybil besuchte am letzten Wochenende Prag, Saaz und Karlsbad. Durch den Besuch einer deutsch-tschechischen Delegation in Israel 2010 zur Befragung ehemaliger Saazer waren sie auf das Schicksal ihrer Glaubensbrüder in Böhmen aufmerksam geworden. Die Zeitzeugenaussagen gingen danach in die Ausstellung „Die Juden von Saaz“ ein, die im Herbst 2010 gezeigt wurde.
Bereits lange vor der Okkupation durch Hitler entfaltete der Antisemitismus auch in Böhmen seine zerstörerische Kraft. Tschechen warfen den Juden vor, dass sie sich zum Deutschtum bekannten, während sie von Deutschen im Rassenwahn verachtet und verfolgt wurden. Nur wenige überlebten den Holocaust. In Saaz wurde das jüdische Leben unter der Naziherrschaft völlig ausgelöscht. Das dokumentierte eine Ausstellung, die vom Förderverein der Stadt Saaz/ Žatec eingerichtet und im Herbst 2010 in Saaz gezeigt wurde (www.saaz-juden.de). Sie ist Teil des gleichnamigen Projekts („Die Juden von Saaz“), das den Beitrag der Juden zur deutsch-tschechischen Kultur in Böhmen würdigen will, u. a. durch konservatorische Bemühungen um die Synagoge und den Jüdischen Friedhof.
Auf der Pressekonferenz am Sonntagabend im Karlsbader Hotel Imperial stellten sich die Bürgermeisterin von Saaz, Ždenka Hamousová, sowie die Vorsitzenden der „Landsleute und Freunde der Stadt Žatec“ und des deutschen „Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec“, Mag. Petr Šimáček und Otokar Löbl, den Fragen der sieben israelischen Journalisten. Zuvor hatten sie die Projekte der Stadtverwaltung bzw. ihrer jeweiligen Vereine erläutert. Dazu gehört von Seiten des Fördervereins auch die Dokumentation der Luftbrücke von Saaz nach Haifa, über die der junge Staat Israel 1947-1949 mit Militärgütern versorgt wurde. Das Interesse der Pressevertreter bezog sich dabei aber nicht nur auf Fragen der Vergangenheit, sondern auch auf Zukunftsthemen wie den Fremdenverkehr.
Ausstellung anlässlich des Saazertreffens in Gmünd
Von Tobias Tschapka | Hilpolsteiner Volkszeitung 25. Spetember 2012
Im Rahmen des traditionellen Treffens des „Heimatkreises Saaz“ in Georgensgmünd fand am Vorabend im Rathausfoyer die Eröffnung der Wanderausstellung „Die wilde Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen 1945“ statt, die dort noch die kommenden vier Wochen zu sehen sein wird. Adolf Funk, der Vorstand des Saazer Heimatkreises, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste, darunter auch Landrat Herbert Eckstein (SPD), der CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler, sowie der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Freller. Eine ganz besondere Ehre für Funk war es jedoch, Zdeňka Haumousová, die Bürgermeisterin der Stadt Žatec (auf Deutsch Saaz) begrüßen zu dürfen. Otokar Löbl, der Kurator der Ausstellung, fungierte gleichzeitig als Übersetzter. Musikalisch begleitet wurde die Ausstellungseröffnung von Gerhard Tschapka und seinem „bömischen Bock“, einem traditionellen Dudelsack.
Laut Funk sei „Versöhnung durch Wahrheit“ der einzige Weg, um für die tschechische Bevölkerung und die Heimatvertriebenen wieder zu einem nachbarschaftlichen Verhältnis zu kommen. „Was den Menschen in beiden Ländern schon weitgehend gelungen ist, werden Politiker nicht ewig ignorieren und torpedieren können“, so Funk. Umso schöner sei es, beim diesjährigen Saazertreffens die erste Repräsentantin der Stadt Saaz begrüßen zu können. Funk fügte hinzu, dass das Saazer Heimattreffen und die Stadt Gmünd zusammengehören würden. Dem konnte Georgensgmünds Bürgermeister Ben Schwarz (SPD) nur beipflichten, schließlich bestand die Stadt Georgensgmünd nach dem Krieg zu einem Viertel aus Heimatvertriebenen. „Die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft ist das, was uns verbindet“, sagte Schwarz
Laut Landrat Herbert Eckstein brauche Zukunft auch Herkunft, „auch wenn diese oft mit schmerzhaften Erinnerungen einhergeht. Diese Ausstellung trägt ihren Teil dazu bei, dass sich beide Seiten wieder offen und ehrlich in die Augen schauen können“, so Eckstein. Sie sei ein Geschenk für den Landkreis, in dem so viele Heimatvertriebenen eine neue Heimat gefunden hätten. Darüber hinaus auch sehenswert für die jüngere Generation, die die damaligen Geschehnisse nur aus Büchern kennen würden. Eckstein: „Es ist ein Glück für Europa, dass man inzwischen wieder offen miteinander reden kann.“ Einen Schritt weiter gegangen ist bereits der CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler – er ist mit einer Tschechin verheiratet. Man sei nicht nur in der Politik wieder zur Normalität zurückgekehrt, dürfe jedoch trotz vieler Gemeinsamkeiten nicht die bestehenden Schwierigkeiten vernachlässigen. „Eins ist sicher, sowohl die Tschechen als auch die Deutschen leben gut gemeinsam als Europäer in der EU“, ist Kastler überzeugt.
Für den CSU-Landtagsabgeordneten Karl Freller konnte es kein besseres Zeichen geben als die Anwesenheit von Bürgermeisterin Hamousová bei dieser Ausstellung. Erst vor kurzem besuchte er Israel zusammen mit dem Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer, eine Begegnung, die ihn dazu veranlasste, einige Worte des „Brückenbauers“ Mannheimer zu zitieren. Demnach sei zwar Hitler primär verantwortlich für die Opfer der Flucht und Vertreibung, „aber seine verbrecherische Politik entlaste niemanden, der furchtbares Unrecht mit furchtbarem Unrecht beantworte“. Laut Mannheimer gehören die Verbrechen in Zusammenhang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen zu den historisch schlimmsten Taten des letzten Jahrhunderts, „aber sein wichtigste Aussage lautet: ‚Ich konnte niemals Hass empfinden, Hass ist niemals eine Lösung“.
Anschließend folgte eine Einführung des Initiators der Ausstellung, Otokar Löbl, für den historisches Wissen nicht nur die Kenntnis von Vergangenen bedeute, sondern vielmehr das Begreifen der Ursache, die zu den Ereignissen führte. Seine Ausstellung stelle demnach einen breiten Kontext der historischen Konfliktgemeinschaft von Deutschen und Tschechen dar, belegt mit Originaldokumenten und Aussagen von Zeitzeigen. „Um zu verhindern, dass die Geschichte in unseren Köpfen uns die Köpfe verdreht, ist es gut, sich immer wieder mit den dokumentarischen Fakten zu beschäftigen. Diese Ausstellung soll dazu beitragen“, so Löbl.
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Wie kam es zur Vertreibung der Sudetendeutschen?
Prominenter tschechischer Besuch beim traditionellen Saazer Treffen
Zum „Saazer Treffens“, das diesmal am 23. September 2012 im mittelfränkischen Georgensgmünd stattfand, wurde am Tag zuvor die Ausstellung „Wilde Vertreibung“ eröffnet, die schon in Frankfurt am Main, Nürnberg und Straubing Aufsehen erregt hat. Vor zahlreicher politischer Prominenz mahnte der Kurator der Ausstellung, Otokar Löbl vom Förderverein der Stadt Saaz|Žatec, eine Versachlichung der Debatte über die Vertreibung an und plädierte dafür, sie in den breiteren Kontext der historischen Konfliktgemeinschaft von Deutschen und Tschechen in Böhmen zu stellen.
An der festlichen Eröffnung im Rathaus nahmen nicht nur lokale Volksvertreter teil, darunter der fränkische EU-Abgeordnete und Vorsitzende der sudetendeutschen Ackermann-Gemeinde, Martin Kastler, sowie der Bürgermeister von Georgensgmünd, Ben Schwarz, sondern auch die herzlich begrüßte Bürgermeisterin von Saaz (Žatec), Ždenka Hamousová, und der ebenso willkommene Vorsitzende des Vereins der Landsleute und Freunde der Stadt Žatec, Mag. Petr Šimáček. Beide waren auch Gäste des Saazer Treffens, das der „Heimatkreis Saaz“ unter seinem Vorsitzenden Adolf Funk im Bürgerhaus ausrichtete.
Saaz|Žatec an der Eger ist eine Stadt in Nordböhmen. Im Zuge der Vertreibung wurden 1945 im Lager Postelberg über tausend Zivilisten aus Saaz und dem Saazer Land ermordet, von denen später an die 800 exhumiert wurden. Die Ausstellung informiert über Vorgeschichte, Umstände und Verantwortliche dieser Ereignisse mit Bildern und Zeugenaussagen. Eine besondere Rolle spielten dabei die kommunistische Partei und die kommunistisch beherrschten Sicherheitskräfte, allen voran die tschechoslowakische Armee. Es wird aber auch nicht verschwiegen, dass die nationalsozialistische Gewaltherrschaft über Böhmen den Boden für eine Politik der Rache und Vergeltung bereitete, die sich mit Enteignung und Vertreibung nicht begnügte.
Die Schatten der Vergangenheit haben das nachbarliche Verhältnis von Tschechen und Deutschen lange getrübt. Die Teilnahme der tschechischen Bürgermeisterin von Saaz an der Ausstellungseröffnung und am Gedenktreffen der vertriebenen Deutschsaazer zeigt indes, dass beide Völker aufeinander zugehen und bereit zur Versöhnung sind. Geschichtliche Aufklärung über die Untaten beider Seiten in der Vergangenheit, über ihre Ursachen und Zusammenhänge, ist eine wichtige Voraussetzung dieses Versöhnungswerks und seinen Bestand in einer europäischen Zukunft.
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