Verdienten die Deutschen die Vertreibung?

Wissenschaftler und Journalisten diskutierten in Prag vor großem Publikum

Anlässlich der in Prag gastierenden Ausstellung „Die Opfer der kommunistischen Macht in Nordböhmen in den Jahren 1945-1946“ luden die Kuratoren Eduard Vacek und Otokar Löbl am 26. Februar 2009 zu einer Podiumsdiskussion, die der DNES-Redakteur Martin Komárek moderierte. Nicht nur führende tschechische Publizisten und Historiker nahmen daran teil, sondern auch eine Delegation aus Postelberg mit Ratsherren, Stadtverordneten und den Mitgliedern der Denkmalkommission, die sich für die anstehende Entscheidung über eine Gedenkstätte für die Opfer des Postelberger Massakers mit historischen und politischen Einschätzungen versorgen konnten.

2009-02-26 Ausstellung Prag 005Die Veranstaltung fand im Kulturhaus von Novodvorská, einem Prager Stadtteil statt, wo auch die Ausstellung gezeigt wurde. Auf dem Podium saßen die renommierten Historiker Lukáš Jelínek, Vít Smetana und Adrian von Arburg, der bekannte Politologen  Bohumil Doležal, der prominente Journalist Vladimír Kučera, sowie für die Postelberger Denkmalkommission Michal Pehr und für die Ausstellungskuratoren Otokar Löbl. Chefkommentator der namhaften Prager Tageszeitung „Mladá Fronta DNES“, Martin Komárek, moderierte.

Von Arburg, Smetana, Komárek, Jelinek, Löbl

Von Arburg, Smetana, Komárek, Jelinek, Löbl

Das Thema der Diskussion lautete „Die Vertreibung der Deutschen: Vergeltung oder Verbrechen?“ und beschäftigte sich mit folgenden Fragen:

  • Waren  die Kommunisten bei der Vertreibung der Deutschen 1945 wirklich schon an der Macht?“
  • Verdienten die Deutschen die Vertreibung durch ihre Haltung im Jahr 1938?
  • Wie ist das Bild der Vertreibung in den Medien? Hat es sich veränderte?
  • Warum hält die überwältigende Mehrheit der tschechischen Öffentlichkeit die Vertreibung für richtig?

Da gleichzeitig im Foyer des Kulturhauses die umstrittene Ausstellung mit ausdrucksstarken  Fotos von den Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung in Nordböhmen zu sehen war, schlugen die Emotionen hohe Wellen. Das lag auch daran, dass viele Kommunisten, angeführt von der Sprecherin des Zentralkomitees der KPČ, Monika Hoření, und Mitglieder des nationalistischen „Klubs des tschechischen Grenzgebietes“ gekommen waren. Die hitzige Diskussion machte 2009-02-26 Podiumsdiskussion Prag, Publikumdeutlich, mit welchen Voreingenommenheiten, Aversionen und Hassäußerungen man sich heute immer noch in der Tschechischen Republik bei der Aufarbeitung der Vergangenheit auseinandersetzen muss. Eine anschauliche und in die Vorgeschichte der Veranstaltung ausgreifenden Schilderung liefert dazu Adalbert Wollrab vom Heimatkreis Saaz, der ebenfalls nach Prag gereist war.

 

Die Aufregung war so groß, dass es zu einer Beschwerde beim Präsidenten Václav Klaus kam. Dieser sah sich zu einem Antwortschreiben genötigt, in dem er die Beschwerdeführer auf die Möglichkeit hinwies, durch eigene Initiativen, Ausstellungen und Diskussionsrunden ihre persönliche Sicht von objektiver Geschichte darzulegen.