Frankfurt am Main / Tel Aviv – Ende März 2010 besuchte eine deutsch-tschechische Delegation ehemalige Saazer Bürger, die den Holocaust überlebt und danach in Israel eine neue Heimat gefunden haben. Die Befragung dieser Zeitzeugen wird Teil einer Dokumentation des deutsch-jüdischen Lebens in Saaz vor dem Zweiten Weltkrieg sein, die in einer Saazer Ausstellung präsentiert werden soll. Dabei wird auch die tschechische Hilfe für den jungen Staat Israel dokumentiert werden, die über den Saazer Militärflughafen abgewickelt wurde und zur Gründung des jüdischen Staates beitrug. Dazu konnte die Delegation weitere Zeitzeugen befragen. Die israelischen Medien berichteten in diesem Zusammenhang auch über Saaz (Žatec) und Teplitz-Schönau (Teplice v Čechach) als touristische Ziele.
Die Delegation bestand aus Vertretern des deutschen „Fördervereins der Stadt Saaz/ Žatec“, der tschechischen „Landsleute und Freunde der Stadt Žatec“ und der Jüdischen Gemeinde Teplitz (Teplice), die heute für Saaz zuständig ist. Das Projekt „Juden in Saaz“ will der tschechischen Öffentlichkeit, insbesondere aber der Jugend von Saaz das weitgehend unbekannte Leben und Schicksal der Juden von Saaz und des Saazerlands nahebringen. Dazu erklärte Otokar Löbl, Vorsitzender des deutschen „Fördervereins“ und Initiator des Projekts:
„Mit der Dokumentation des jüdischen Lebens in Saaz vor dem Zweiten Weltkrieg mit Hilfe von Archivmaterialien und Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt und in Israel eine neue Heimat gefunden haben, wollen wir konkrete Menschen vorstellen, die in Saaz wohnten und am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Stadt teilhatten. Dies kann auch gegen den zwar schwachen und verdeckten, aber immer noch gegenwärtigen Antisemitismus helfen.“ Löbl setzt sich außerdem für die Restaurierung und Erhaltung der materiellen Spuren der Juden in Saaz ein, wozu vor allem der jüdische Friedhof und die berühmte Synagoge zählen.
Die Befragung der Zeitzeugen wurde zu einem bewegenden Moment. Die heute achtzig- und neunzigjährigen Israelis bekamen leuchtende Augen, als sie über ihre Jugend in Saaz berichteten. „Es war das erste Mal, daß sie Besuch aus ihrer alten Heimat bekamen, abgesehen von Verwandten“ sagte Otokar Löbl.
Unterstützung erhielt die Delegation auch vom tschechischen Botschafter in Israel: „Herr Tomas Pojar begrüßte unsere Aktivitäten und bot uns Hilfe und Zusammenarbeit an“, erklärte der Vorsitzende der „Landsleute und Freunde“, Petr Šimáček. „Dank seiner Hilfe konnten wir einige ehemaligen Saazer und israelische Militärveteranen besuchen, über deren Aussagen und Erinnerungen wir einen Dokumentarfilm gedreht haben.“
Der Vorsitzende der jüdische Gemeinde Teplitz, Oldřich Latal, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Reise: „Das Projekt des Fördervereins deckt sich mit den Bestrebungen unserer Gemeinde maximal. Nicht nur, daß wir die Schicksale von Menschen aus dem Saazer Land dokumentieren und so für die Zukunft unschätzbare Informationen retten konnten, sondern wir haben diesen Menschen mit der Erinnerung an ihr früheres Leben auch eine große Freude gemacht. Diese Mission wurde von Herrn Löbl hervorragend vorbereitet und ist ein Meilenstein für unsere weitere Zusammenarbeit.“
Video zur Zeitzeugenbefragung in Israel:
Die Juden in Saaz – Vorstellung des Projektes
(Saaz 15. März 2010) Im Rahmen einer Pressekonferenz auf dem Jüdischen Friedhof in Saaz hat der Förderverein der Stadt Saaz | Žatec zusammen mit der Jüdischen Gemeinde Teplitz-Schönau das Projekt „Die Juden von Saaz“ offiziell vorgestellt. Teilgenommen haben außer zahlreichen Journalisten und Vertreter des Ersten Tschechischen Fernsehens auch der Bürgermeister von Saaz, Herr Knoblauch, der Direktor des Saazer Regionalmuseums, Herr Jiří, sowie Bürger der Stadt.
In einer Sendung des regionalen TV-Programms OK berichtete David Vondraček vor kurzem auch über andere Aktivitäten des Fördervereins, insbesondere über das Projekt „Versöhnung durch Wahrheit“, das sich mit dem Massaker von Postelberg beschäftigt, bei dem kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs viele hundert deutsche Mitbürger umkamen. Demnächst wird diese Sendung auch vom Ersten Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt werden.
Postelberg errichtet Denkmal
Gedenken in Böhmen an internierte und getötete Deutsche
Von Klaus Peter Schwarz | Frankfurter Allgemeine Zeitung 6. November 2009
Die nordböhmische Stadt Postelberg (Postoloprty) errichtet den Opfern eines der schlimmsten Nachkriegsverbrechen ein Denkmal. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Stadtrat auf der Grundlage der Empfehlung einer Expertenkommission, der Tschechen, Deutsche und Vertreter der jüdischen Gemeinde angehörten. Die tschechische und deutsche Inschrift soll lauten: „Allen unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postelberg im Mai und Juni 1945“. Damals hatte eine Einheit der 1. tschechoslowakischen Division im Zuge der Erfüllung des Befehles, „das Terrain von feindlichen Elementen zu säubern“, die Deutschen in Kasernen und in einem früheren deutschen Internierungslager in Postelberg konzentriert, unter ihnen 5000 Männer aus Zatec (Saaz). Dort wurden sie ausgepeitscht und gefoltert, es gab öffentliche Hinrichtungen. 1947 wurden aus Massengräbern 763 Skelette exhumiert, darunter die von fünf Frauen, und in Krematorien verbrannt. Eine parlamentarische Kommission untersuchte die Vorgänge unter strengster Geheimhaltung, verzichtete unter Berufung auf das Straffreistellungsgesetz für Vertreibungsverbrechen jedoch auf die Einleitung von Strafverfahren.
Mitte der neunziger Jahre wurde ein auf Antrag des Schriftstellers Ludvík Vaculik eingeleitetes Verfahren „mangels Zeugen“ eingestellt. Deutsche, die das Massaker überlebt und sich dem Gericht als Zeugen angeboten hatten, wurden nicht angehört, da man ihnen eine „verzerrte Wahrnehmung“ unterstellte. Zuletzt wurden die Vorfälle neuerlich von der Polizei untersucht, die im Juni einen tschechischen Soldaten und einen Polizeioffizier für das Massaker verantwortlich machte. Beide sind verstorben.
Die Errichtung des Denkmals in Postelberg ist ein großer Erfolg des in Frankfurt ansässigen Fördervereins der Stadt Saaz/Zatec, der sich seit Jahren dafür einsetzt. Unter anderem hat der Förderverein eine Wanderausstellung zu den Vorgängen in Postelberg zusammengestellt, die in mehreren böhmischen Städten gezeigt wurde. Der Vorsitzende des Vereins, Otokar Löbl, hatte auch den Antrag an den Stadtrat formuliert, der jetzt in leicht modifizierter Form angenommen wurde.
Denkmal für die ermordeten Deutschen in Postelberg
Stadtrat im nordböhmischen Postelberg folgt der Empfehlung einer Expertenkommission
Wie Radio Prag am Abend des 4. November 2009 berichtete, haben die Gemeindevertreter am späten Nachmittag beschlossen, „allen unschuldigen Opfern“ des Juni 1945 ein Denkmal zu errichten. Dazu wird ein Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben.
In Postelberg|Postoloprty waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Sudetendeutsche aus Saaz und anderen nordböhmischen Orten interniert worden. Dabei wurden im Mai und Juni 1945 eine große Anzahl unschuldiger Menschen ermordet, darunter auch Kinder. Die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt. Wie Radio Prag berichtete, gehen Schätzungen jedoch von 800 bis 3000 Toten aus. 1947 wurden 763 Körper aus Massengräbern exhumiert, das kommunistische Regime hat das Massaker jedoch verschwiegen. Die traurigen Ereignisse sind heute gut dokumentiert und durch eine Ausstellung der tschechischen Öffentlichkeit bekannt gemacht worden.
Dem Beschluss war eine Stadtverordnetenversammlung am 22. Oktober vorausgegangen, in der eine sechsköpfige Expertenkommission zu einem entsprechender Antrag des „Fördervereins für die Stadt Saaz|Zatec“ gehört wurde. Der Vorsitzende des deutschen Vereins, Otokar Löbl, hatte dabei Gelegenheit, den Antrag zu erläutern und anschließend auch der nationalen tschechischen Presse vorzustellen. Diesen Antrag hat sich der Stadtrat jetzt in leicht modifizierter Form zu Eigen gemacht. Das Denkmal soll auf dem örtlichen Friedhof errichtet werden und die zweisprachige Inschrift tragen: „Allen unschuldigen Opfern der Postelberger Ereignisse von Mai und Juni 1945“. Die Kosten trägt die Stadt Postelberg.
Der Beschluss der Stadt Postelberg wird von dem Förderverein der Stadt Saaz|Žatec begrüßt.
Interview mit Peter Klepsch und Otokar Löbl im MDR-Film „Am Fluss der Versöhnung“ Am Fluss der Versöhnung, ARD 2009 Flusskilometer 0 der Eger: direkt an der tschechisch-deutschen Grenze setzen ARD- Korrespondent Danko Handrick und sein Weltreisen-Team ihr Boot in den Fluss. Bei Cheb (Eger) begeben sie sich paddelnd flussabwärts, auf der Suche nach deutsch-tschechischen Geschichten. Sie lernen eine deutsche Lehrerin kennen, die gemeinsam mit tschechischen Freunden eine kleine Wallfahrtskirche wiederaufbaut. Sie treffen einen tschechischen Filmemacher, der versucht, den verfallenen Kurort Kyselka (Gießhübl Sauerbrunn) zu retten. Und sie hören vom schwierigen Umgang mit der Geschichte auf beiden Seiten, sind dabei, wie Tschechen und Deutsche in Postoloprty|Postelberg um ein Denkmal ringen, das an eine der schrecklichsten Taten bei der Vertreibung der Sudetendeutschen erinnern soll. Inzwischen aber hört das „Weltreisen“-Team auf seiner Reise immer wieder die Worte Gemeinsamkeit und Versöhnung. Wie Gemeinsamkeit und Versöhnung entlang der Eger aussehen, erzählt das Team mit Bildern einer eindrucksvollen Flusslandschaft. Am 26. Oktober 2009 trafen sich in Saaz Vertreter der Stadt, des Regionalmuseums, der jüdischen Gemeinde Teplitz|Teplice und des „Fördervereins der Stadt Saaz|Žatec“ in der Villa Kříž, einer Filiale des Saazer Regionalmuseums. Anwesend waren auch der israelische Botschafter in Tschechien, J. E. Yaakov Levy, und der Vorsitzende des Saazer „Vereins der Landsleute und Freunde der Stadt Žatec“, Petr Šimáček. Die Konferenz, die auf Anregung des Fördervereins zustandekommen war, diente der Vorbereitung einer Ausstellung zur Geschichte der Juden in Saaz und im Saazer Land, die für Herbst 2010 geplant ist. Im Laufe der Konferenz wurde für die geplante Ausstellung eine Vereinbarung zwischen dem Saazer Regionalmuseum und der Jüdischen Gemeinde Teplitz unterschrieben. Otokar Löbl, Vorsitzender des Fördervereins, überreichte dem israelischen Botschafter den Tagungsband „Der Ackermann aus Böhmen“. Dieser sicherte dem Förderverein seine Unterstützung für die Projekte „Die Juden von Saaz“ und „Luftbrücke Saaz-Haifa 1948“ zu. Leider konnte diese Veranstaltung aus finanziellen Gründen nur in tschechischer Sprache stattfinden. Auf der Sitzung am 22. Oktober 2009 lag den Postelberger Stadtverordneten eine Dokumentation über die Verbrechen in Postelberg im Mai/ Juni 1945 vor, die der „Förderverein der Stadt Saaz|Žatec“ auf CD zusammengestellt hatte. Sie begründete den Antrag von Otokar Löbl, eine Gedenkstätte für die Opfer dieses Massakers zu errichten, für den sich dann auch die Denkmalkommission der Stadt ausgesprochen hat. Die Sitzung wurde um 17 Uhr eröffnet. PhDr. Michal Pehr begründete die Entscheidung der Kommission, Otokar Löbl wurde anschließend noch nach Details befragt. Es folgte eine hitzige Diskussion, die im Beschluss endete, innerhalb von 14 Tagen in einer außerordentlichen Sitzung darüber endgültig zu entscheiden. Anschließend fand im Restaurant „Flamingo“ eine Pressekonferenz des „Fördervereins“ statt, an der Rundfunk, Fernsehen und 13 Journalisten aus der Tschechischen Republik teilnahmen. Alle Teilnehmer erhielten die Dokumentationsmappe. Die Veranstaltung wurde in allen tschechischen Medien ausführlich kommentiert.
MDR-Film thematisiert „Postelberg“
Zur Geschichte der Juden im Saazer Land
Konferenz in Saaz zur Vorbereitung der Ausstellung „Die Juden von Saaz“
Postelberg: Stadtverordnete über Massaker informiert
Anfang November 2009 wird entschieden, ob die Opfer von Postelberg eine Gedenktafel bekommen