Otokar Löbl berichtete über den schwierigen Weg zu einer Gedenktafel für die Opfer von Postelberg – Tagung des Adalbert-Stifter-Vereins in Budweis über deutsch-tschechische Gedenkorte
Auf der deutsch-tschechischen Tagungn „Gemeinsames kulturelles Erbe lebendig gestalten“ (Budweis 28./ 29. Mai 2011) sprach Otokar Löbl über seine Erfahrungen in der Kommission, die den Postelberger Stadtrat in der Frage eines Erinnerungsorts für die Opfer von Postelberg beriet. Löbl ist Vorsitzender des deutschen „Fördervereins der Stadt Saaz/ žatec“, der sich seit 2003 für ein derartiges Projekt einsetzte. Im Juni 1945 wurden in der Postelberger Kaserne über 800 deutsche Zivilisten aus Saaz und Umgebung ermordet.
Löbl berichtete von den Schwierigkeiten, nach dem langen Schweigen über die Nachkriegsverbrechen an Deutschen und den unter kommunistischer Herrschaft verbreiteten Falschinformationen unter den Stadträten die Akzeptanz für einen solchen Gedenkort herzustellen. Dies wurde durch eine gründliche Aufklärung im Vorfeld der Entscheidung und die Einbeziehung aller von diesen Ereignissen direkt oder mittelbar betroffenen Bevölkerungsgruppen und politischen Organisationen erreicht. „Wir haben alle mit ins Boot genommen“, sagte Otokar Löbl. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die Pressearbeit. Löbl dankte den Medien für ihre intensive Berichterstattung, der ein großer Verdienst an der Entscheidung für die Gedenktafel zukommt.
Dem Erinnern an die Gewaltexzesse während der wilden Vertreibung galt nur ein Teil der Tagung. In den anderen Sektionen ging es um die Spuren der Deutschen in den böhmischen Ländern, deren Bewahrung den Tschechen zunehmend am Herzen liegt. Vor allem junge Menschen zeigen daran großes Interesse und beweisen ihr Engagement durch freiwilligen Arbeitseinsatz. Junge Lehrer machen solche Spurensuche zum Unterrichtsstoff. Wissenschaftler rekonstruieren die deutsch-böhmische Kultur aus Literaturzeugnissen und literarischen Biographien. In Prag pflegt ein eigenes Literaturhaus die Werke deutschsprachiger Autoren. Die junge Schriftstellerin Kateřina Tučková beschreibt das Nachkriegsschicksal einer jungen Frau aus deutsch-tschechischer Ehe („Die Vertreibung der Gerta Schnirch“). Es wäre schön, wenn dieses Buch, aus dem die Autorin vorlas, auch einen deutschen Verleger finden würde.
Von Tomáš Kassal | Maldá Fronta DNES, iDnes-Ausgabe Nordböhmen 14. Mai 2011 Der deutsche „Förderverein der Stadt Saaz | Žatec“ bemüht sich um die Einrichtung eines Museums, das an die deutsch-tschechische und jüdische Kultur in Saaz erinnern soll. Schon der Name des geplanten Museums wird symbolisch sein –„Johann von Saaz-Museum“. Er bezieht sich auf den Begründer der neuhochdeutschen Literatur. Die Ausstellung des Museums soll die Erfolge und den Nutzen der Stadt aus dem mehr als tausendjährigen Zusammenleben hervorheben. Sie soll aber natürlich auch dessen trauriges Ende erläutern, erklärt der Pressesprecher des Vereins, Andreas Kalckhoff. Johann von Saaz Der Mann, bekannt auch als “Johannes von Saaz“ (um 1350 bis etwa 1414), war Schriftsteller und Stadtschreiber in Saaz. Er schrieb auf Deutsch und Latein. Sein „Ackermann aus Böhmen“ ist ein mittelalterliches Streitgespräch über ein philosophisches Thema, besonders über den Tod, aber auch über den Sinn des Lebens. Das Werk wird als Beginn der [neuhoch-] deutschen Literatur angesehen. Das nach Johann von Saaz benannte Museum könnte zum Beispiel das Gebäude des ehemaligen deutschen Gymnasiums im Zentrum der Stadt nutzen, wo heute noch die Stadtpolizei residiert. Das ist aber nur eine von mehreren Möglichkeiten. Das Hauptproblem ist jetzt, ob es dem Förderverein gelingt, Subventionen für dieses Vorhaben aufzutreiben, und wie hoch die Betriebskosten sein werden, erinnert der stellvertretende Bürgermeister von Saaz, Jan Novotný. Es handelt sich um ein langfristiges Projekt, in das wir tschechische und deutsche Historiker und die Öffentlichkeit einbinden möchten, betonte der Vorsitzende der Fördervereins, Otokar Löbl. In Saaz wäre das schon ein drittes Museum In Saaz gibt es zur Zeit das Regionalmuseum K. A. Polánka, das eine ständige Ausstellung über die Vorzeit und das Mittelalter zeigt. Und ein Hopfenmuseum, das die Tradition des Hopfenanbaus und der Region zeigt. Die moderne Geschichte ist aber den meisten Saazern ziemlich unbekannt, was auf den fast kompletten Bevölkerungsaustausch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist. Dabei hat gerade das Zusammenleben von Deutschen, Tschechen und Juden die Geschichte der Stadt bereichert und nicht zuletzt das Stadtbild mit seinen vielen historischen und industriellen Bauwerken wie die ehemalige Papierfabrik, die Hopfenspeicher und -trockenanlagen, die hauptsächlich im 19. Jahrhundert entstanden, geprägt. Zur jüdischen Vergangenheit gehört nicht nur die Vertreibung der Juden aus der Stadt und die Beschlagnahme ihres Eigentums in den dreißiger Jahreng, sondern auch die Luftbrücke Prag-Haifa [gemeint ist Saaz-Haifa] im Jahre 1948, die beträchtlich beigetragen hat zur Gründung des heutigen Staates Israel. Übersetzung: Otokar Löbl / Andreas Kalckhoff. In eckigen Klammern Anmerkung der Redaktion. Helmut Wabra war ein fünfjähriger Bub, als seine heile Welt in Saaz zusammenbrach: Bombenangriffe, Kanonendonner, dann kamen die Russen, aber das war noch nicht das Ende: Es folgten Lagerhaft, Vertreibung und, was schlimmer war, die Erinnerung an einzelne grauenvolle Szenen. Helmut Wabra hat dies in seinem autobiographischen Büchlein „Meine Erinnerung an eine schlechte Zeit in Saaz. Traum–Trauma–Wahrheit–Sühne–Versöhnung?“ (30 Seiten, DinA 5, kartoniert) aufgeschrieben – so emotional und fragmentarisch, wie er es als kleines Kind erlebt hat, aber ohne anhaltende Verbitterung. Der Text endet mit einem versöhnlichen „Wiedersehen in Saaz“, es folgen 12 Seiten Stadtansichten aus alter und neuer Zeit. Das Büchlein ist gegen eine Spende von 10 Euro an den gemeinnützigen Förderverein der Stadt Saaz|Žatec e. V. auf das Konto NASPA 146048110 (BLZ 51050015) bei Otokar Löbl, Hausener Obergasse 15, 60488 Frankfurt am Main, Telefon 069-7892817, erhältlich (auch Bargeldzahlung im Briefumschlag wird akzeptiert). Am Donnerstag, den 17. März 2011 wurde im Jüdischen Gemeindehaus von Teplitz die vom Förderverein eingerichtete Ausstellung „Die Juden von Saaz“ eröffnet. Sie wurde letztes Jahr bereits im Saazer Regionalmuseum gezeigt und wird nach Teplitz in Aussig zu sehen sein. In einem Gespräch im Saazer Rathaus am Mittwoch, den 16. März 2011 brachte der Stellvertretende Bürgermeister von Saaz das große Interesse der Stadt am Projekt eines Museums für deutsch-böhmische Kultur im Saazer Land zum Ausdruck. Das Konzept dazu, das der deutsche Förderverein der Stadt Saaz|Žatec e. V. ausgearbeitet hat, wird in der nächsten Sitzung dem Stadtrat vorgelegt werden. Danach wird ein Vertrag zwischen beiden Partnern die weitere Planung regeln. Die Mittel dafür sollen durch Sponsoren und aus Fördermitteln aufgebracht werden. Die Stadt will die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und den Unterhalt der ständigen Ausstellung sichern, die als Abteilung des örtlichen Regionalmuseums gegründet werden soll. Als Unterbringungsort ist das ehemalige Deutsche Gymnasium im Gespräch, in dem bisher noch die Polizei residiert. Viele hundert Jahre lebten Tschechen und Deutsche in Saaz (Žatec) friedlich zusammen. 1004 kam der deutsche König dem böhmischen Herzog Jaromir gegen die polnische Besatzung der nordböhmischen Burg „Satci“ zur Hilfe: In diesem Zusammenhang tritt Saaz erstmals ins Licht der Geschichte. Um 1400 bildeten die Deutschen, die von böhmischen Fürsten zur Besiedlung des Landes eingeladen wurden, einen respektablen Teil der Saazer Bevölkerung und bekleideten hohe Ämter in der Stadt. Zu dieser Zeit schrieb der Stadtschreiber Johann von Saaz den berühmten „Ackermann aus Böhmen“, die erste neuhochdeutsche Dichtung. Er soll dem Museum seinen Namen geben. Das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in Saaz, das im 19. Jahrhundert zur überwiegend deutsch geprägten Stadt wurde, war über viele Jahrhunderte von gegenseitiger kultureller Befruchtung und wirtschaftlichem Nutzen bestimmt. Erst die Exzesse eines übersteigerten Nationalismus im 20. Jahrhundert führten zu den tragischen Ereignissen, an deren Ende die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und damit auch aus dem Saazer Land stand. Die Ausstellung will vor allem die beinahe tausendjährige deutsch-tschechische Erfolgsgeschichte in den Vordergrund stellen, ohne freilich das traurige, von beiden Volksgruppen verschuldete Ende auszusparen. Am Abend des 16. März 2011 fand im neu eröffneten „Hopfen- und Biertempel“ der Saazer Brauerei auf Anregung des Fördervereins ein erster deutsch-tschechischer Stammtisch statt, der in regelmäßigen Abständen unter Beteiligung von Pressevertretern aus beiden Ländern fortgeführt werden soll. Von Franz Chololaty Gröger | Buchrezension, Pardubitz|Pardubice 22. Januar 2011 Vom 12.-14.November 2008 fand auf dem Boden der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität in Brünn eine Konferenz unter der Benennung: „Die deutschsprechende Bevölkerung in der Tschechoslowakei nach 1945“ statt, die gleichzeitig auch Anlass zu einem Arbeitstreffen des Autorenkollektivs rund ums Forschungsvorhaben der Masaryk-Universität gab . An der Konferenz nahmen auch Forscher aus der Slowakei, ferner der deutschstämmige Historiker aus Mährisch Ostrau, Otfried Pustejovsky, sowie Vertreter der deutschen Minderheit in Böhmen, Mähren und Schlesien teil. Für den „Förderverein der Stadt Saaz“ nahm Otokar Löbl teil. Als Ergebnis kam ein Buch heraus, das auch in Zusammenarbeit zwischen dem Forschungszentrum für Geschichte Mitteleuropas und dem Institut für zeitgenössische Geschichte der Akademie der Wissenschaften der ČR entstanden ist. Deren Brünner Nebenstelle beteiligte sich an der Umsetzung im Rahmen des Projektes „Dokumentation des Schicksals der aktiven Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus“, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Zusammenhang mit jenen Maßnahmen standen, die in der damaligen Tschechoslowakei gegen die sogenannte feindliche Bevölkerung angewendet wurden. Das Buch „Die deutschsprechende Bevölkerung in der Tschechoslowakei nach 1945“ erschien Ende des vergangenen Jahres bei der Matice moravská. Das veröffentlichte Werk kann im Wesentlichen in drei Abteilungen untergliedert werden: Im ersten Kapitel beschäftigt sich Tomáš Staněk anhand der bisherigen Forschung mit der „deutschen Problematik“ nach Kriegsende, und Adrian von Arburg legt einen umfangreichen Beitrag einiger Erwägungen vor, wie man die Forschung über die Stellung der deutschsprechenden Bevölkerung in Böhmen, in Mähren und in Schlesien nach dem Krieg fortsetzen sollte. Eben dieser Beitrag wurde diskutiert, vor allem von Seiten der deutschen Minderheit. Ein weiteres Kapitel ist die Arbeit Tomáš Dvořáks „Die Erforschung der deutschen Bevölkerung in der Nachkriegstschechoslowakei, Probleme und deren Begrenzung sowie eine weitere Kontextualisierung“, eines der Autoren, der in der Edition „Aussiedlung der Deutschen und die Veränderungen des tschechischen Grenzlandes von 1945“. Diesen ersten Teil beschließt die Arbeit „Vertreibungsforschung zwischen Politik und Wissenschaft“ des bedeutenden deutschen Forschers Otfried Pustejovsky. Der zweite Teil wird durch die Arbeit des bereits erwähnten Tomáš Dvořák eingeleitet, der Brünn und seiner Bevölkerung im Jahre 1945 gewidmet ist. Für Tschechen bekannt geworden ist die Vertreibung der deutschen Bevölkerung und der von vielen Exzessen begleitete folgende Marsch zur österreichischen Grenze. Es handelt sich dabei um die Frage des historischen Gedächtnisses, bzw. des Nicht-erinnert-werden-wollens, und um die Frage der politischen Verantwortung. Die darauf folgende Arbeit ist den Deutschen in Reichenberg nach dem Zweiten Weltkrieg, den Deutschen in Neuhaus und Umgebung nach 1945 und der deutschsprechenden Bevölkerung in der Umgebung von Budweis nach 1945 gewidmet, die durch dazu gehörende und veranschaulichende Tabellen ergänzt wird. Die Studie „Die deutsche Bevölkerung im politischen Kreis Senftenberg in den Jahren 1945-1948“ von Václav Kaška befasst sich ebenfalls mit den leidigen Aktivitäten der Partisanengruppe „Václavík“ der Kommandeure Jan Ptáčník und Josef Hýbl Brodecký, die „bekannt“ wurde durch die Morde in Landskron, Wichstadtl, Grulich, Linsdorf und in weiteren Orten. Sie beschäftigt sich auch mit der Vertreibung der Bevölkerung nach Glatz im Jahre 1945. Den tschechischen Leser werden sicher auch die Arbeiten slowakischer Autoren interessieren, die sich mit der Frage der Karpatendeutschen in den Jahren 1945-1946 befassen. Die dritte Abteilung widmet sich der Frage der Kommunistische Partei der Tschechoslowakei und „unseren Deutschen“, also dem Verhältnis von Nationalismus, Internationalismus und Pragmatismus beziehungsweise der Problematik der Rückkehr „rechtswidrig Abgeschobener“. Aufmerksamkeit verdienen alle Arbeiten, mag es sich dabei um das Schicksal von Emil Beer oder um den Deutschen Karl Jüttner handeln. Große Aufmerksamkeit erweckt die Arbeit von Vladimir Černý „Prozesse mit den Angehörigen des nationalsozialistischen Sicherheitsapparates in Brünn und deren Schicksale in den Jahren 1945-1956“, die ergänzt wird durch ein komplexes Verzeichnis der ermittelten und inhaftierten Mitglieder des Sicherheitsapparates, oder die Arbeit „Das kleine Retributionsdekret und die deutschsprechende Bevölkerung in Ostrau in den Jahren 1945-1948“. Das Buch enthält auch Quellen und eine ausgewählte und empfohlene Literatur inklusive noch nicht erschienener Quellen bzw. Verzeichnisse von Archiven und Fonds in der Tschechei, in der Slowakei, in Deutschland und Österreich. Teil des Buches ist auch umfangreiches Foto-Material. Es ist anzunehmen, dass diese anregende, gut bearbeitete Publikation in Hinkunft weitere Forschungen anregen wird und auf diese Weise behilflich bei der Suche nach Antworten auf bislang verschwiegene Fragen zur Nachkriegszeit sowie zum Zusammenleben von beiden Völkern sein kann. Bilder zur Tagung in Brünn:
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Deutsch-böhmische und jüdische Kultur im Saazer Land
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Deutsche in der Tschechoslowakei nach 1945