Von Uta Reiff | Rede zur Enthüllung der Gedenktafel für die unschuldigen Opfer von Postelberg am 3. Juni 2010. Die Rede wurde in Deutsch und Tschechisch vorgetragen.
Ich weise darauf hin, dass diese Rede meine eigene Meinung spiegelt. Sie gilt nicht für alle Sudetendeutschen. Ich glaube aber, dass viele der hier anwesenden Landsleute damit einverstanden sein werden.
Ich freue mich begrüßen zu dürfen Seine Exzellenz, den deutschen Botschafter, Johannes Haindl, Herrn Hýlak, Bürgermeister von Postelberg, Herrn Knoblauch, Bürgermeister von Saaz, Dr. Michal Pehr, Historiker, Herrn Libowic, Vorsteher der jüdischen Gemeinde Teplitz und die zahlreichen Vertreter der Medien.
Liebe Trauergäste,
ich begrüße Sie ausdrücklich als „Trauergäste“, denn dies ist ein Tag der Trauer, der Tag der Klage um unsere Toten. Nach 65 Jahren stehen wir nun endlich vor einer Gedenktafel, die zur Erinnerung an die deutschen Zivilisten angebracht wurde, die hier in Postelberg vor 65 Jahren auf schreckliche Weise umgebracht wurden. Das war im Mai und Juni 1945 nach dem Ende des Krieges. Der Beginn dieser Schreckenszeit war für die Deutschen aus Saaz der 3.Juni 1945, also heute auf den Tag genau vor 65 Jahren. Lassen Sie mich fragen: Wer waren die Menschen, die hier hingerichtet wurden? Die hier gefoltert und hingerichtet wurden waren keine Verbrecher, keine Mörder. es gab kein Gericht, keinen Prozess, kein Urteil. Sie wurden ermordet, weil sie Deutsche waren. Sudetendeutsche, die schon seit Jahrhunderten hier in diesem Land lebten. Dies war ihre Heimat!
In den furchtbaren Nachkriegswirren 1945 genügte es, Deutscher zu sein oder deutsch zu sprechen, um einfach erschossen zu werden. Die Mörder wurden ermittelt, aber nicht verfolgt, obwohl es bereits 1947 eine Untersuchungskommission des Prager Parlaments gab. Die Protokolle darüber sind seit 1992 frei zugänglich [1] und wurden auch übersetzt ins Deutsche. Die Schuldigen wurden verhört, aber nicht bestraft. Wir alle wissen, dass es dafür ein Freistellungsdekret gab und gibt, das – zu unserem Entsetzen – auch heute noch gültig ist.
Aber wir wollen hier nicht anklagen, wir wollen klagen. Wir wollen einer tiefen Traurigkeit Ausdruck geben, die seit 65 Jahren in uns ist. Wir hatten bisher keinen Platz zu trauern, keinen Platz, um Blumen und Kränze niederzulegen, hier an diesem Ort dieser furchtbaren Ereignisse. Deswegen möchte ich der Stadt Postelberg danken für diese Gedenkplatte in Deutsch und Tschechisch. Ich bedauere jedoch, dass aus der Inschrift nicht zu erkennen ist, dass es sich um deutsche Opfer handelt.
Viele aus der tschechischen und deutschen Bevölkerung wissen nicht, oder jedenfalls nicht genau, was sich in diesen Monaten Mai und Juni 1945 in Saaz und Umgebung und in Postelberg abgespielt hat.
Daher muss ich näher darauf eingehen, obwohl es mir schwer fällt, darüber zu sprechen, denn mein eigener Vater wurde hier ermordet, und mein älterer Bruder Hans -der hier auch anwesend ist – hat diese schrecklichen Tage knapp überlebt. Er war damals 16 Jahre alt. Er kam dann zur Zwangsarbeit ins Bergwerk nach Kladno und wurde dort fast zu Tode geschunden und geprügelt.
Die unschuldig Ermordeten aber haben keine Stimme mehr. Daher will ich ihnen meine Stimme geben, als die Tochter eines der Ermordeten: Mein Vater und mein Bruder gehörten zu den etwa 5000 deutschen Männern, die am 3. Juni 1945 auf dem Marktplatz in Saaz zusammengetrieben wurden und von dort nach Postelberg in die Kaserne. Am nächsten Tag und an den darauf folgenden Tagen gab es wilde Prügelorgien und wahllose Erschießungen. Auch fünf Jungen im Alter von circa 14 Jahren wurden erschossen, weil sie sich Äpfel von einem Baum geholt hatten. Am 7. und 8. Juni fanden die Massenerschießungen statt. Die Männer wurden in Gruppen von circa achtzig oder mehr Leuten eingeteilt und mussten zum Lewanitzer Fasanengarten marschieren. Dann hörte man Gewehrsalven, und die Wachen kamen allein zurück. Die meisten Überlebenden dieses Massakers kamen zur Zwangsarbeit in Arbeitslager. Im Herbst 1947 wurden 763 Leichen aus Massengräbern ausgegraben und in verschiedenen Krematorien verbrannt. Die restlichen Gräber wurden nicht geöffnet. Insgesamt wurden jedoch in jenen Tagen im Raum Saaz-Postelberg mindestens circa 2.000 deutsche Zivilisten erschossen.
Diese grauenhaften Taten von Postelberg und andere ähnliche Verletzungen der Menschlichkeit, begangen an unschuldigen Deutschen, wurden über Jahrzehnte in der tschechoslowakischen Republik verschwiegen und das aus ideologischen und politischen Gründen oder einfach auch aus Angst vor der Wahrheit.
Aber: Erfreulicherweise wurde in den letzten Jahren viel über diese grausamen Ereignisse in der Tschechischen Republik berichtet. Für diese Berichterstattung will ich vor allem vielen tschechischen Zeitungen und Medien, insbesondere den hier anwesenden, ausdrücklich danken. Sie haben damit auch dazu beigetragen, dass diese Erinnerungstafel hier angebracht wurde. Auch das tschechische und deutsche Fernsehen hat öfter darüber berichtet. Míroslav Bambušek, ein junger tschechischer Dramatiker, hat sich auch dieser Ereignisse angenommen und eine szenische Lesung und ein Theaterstück darüber geschrieben mit dem Titel: „Porta Apostolorum“ und dem Untertitel: „Ein grausames Spiel von Dingen, von denen lieber niemand etwas hören will“. Ihnen allen gilt unser Dank.
Die Verletzungen der Würde des Menschen, bis hin zum Mord, begannen aber nicht erst 1945. Während aller Kriege in der Geschichte, auch während des Zweiten Weltkriegs, wurden – in diesem Fall von der deutschen Besatzungsmacht – Kriegsverbrechen, vor allem Erschießungen, in den besetzten Staaten begangen, so auch in der Resttschechoslowakei nach der Besetzung durch die deutsche Armee im März 1939. Seit dem Jahr 1938 gehörte das Sudetenland zum Deutschen Reich, als „Reichsgau Sudetenland“. Damit waren die Sudetendeutschen den Deutschen im Reich mit allen Rechten und Pflichten und der Verantwortung für die Verbrechen in den besetzten Ländern, gleichgestellt.
Am Ende des Krieges kamen nicht nur die Rote Armee, sondern auch tschechische Armeeeinheiten in das Grenzgebiet mit dem Auftrag aus Prag, das Gebiet von Deutschen zu säubern. Wie war nun dort die Situation? Soweit es ihnen gelungen war, waren die Angehörigen der deutschen Besatzungsmacht verschwunden. Aber wir Sudetendeutschen waren da, wohin sollten wir auch gehen? Dieses Land war doch unsere Heimat! Der Hass vieler Tschechen war groß auf alles Deutsche und hat sich letztlich über uns, die wir greifbar waren, entladen. Die Rache trifft oft die, die gerade da sind, egal ob schuldig oder nicht. Man spricht nicht umsonst vom blinden Hass und von blinder Rache.
Ich muss hier aber sagen: Für die siebenjährige Zugehörigkeit zum Deutschen Reich haben wir Sudetendeutschen hart bezahlt mit der Vertreibung aus unserer Heimat und all den Grausamkeiten, denen wir rechtlos ausgeliefert waren, bis hin zum tausendfachen Mord an unseren Landsleuten.
Zur Schuldfrage möchte ich folgendes sagen: Es gibt keine kollektive Schuld. Kein Volk, keine Nation ist als Ganzes schuldig, daher kann man es nicht als Ganzes bestrafen. Es sind immer Einzelne oder Gruppen aus einem Volk, die Gräueltaten begehen, meist auf irgendeinen Befehl hin. Die Täter müssen gefunden und bestraft werden. Aber: Es gibt eine kollektive Verantwortung und kollektive Scham für das, was aus einem Volk heraus geschehen ist. Dies gilt für Tschechen und Deutsche und Sudetendeutsche.
Zum Schluss möchte ich sagen: Nur auf dem Boden der Wahrheit, auf beiden Seiten, kann man die Verbitterung abbauen, ist Versöhnung und eine gemeinsame Zukunft möglich. Wir wollen eine Zukunft ohne Rachegedanken, ohne Vergeltung, wir wollen eine friedliche, gedeihliche Zukunft im gemeinsamen Haus Europa. Wir wollen in Frieden miteinander leben und nicht aufrechnen, wer, was, wann und wem zugefügt hat. Das stiftet nur neuen Unfrieden. Es ist jedoch notwendig, die vergangenen Geschehnisse anzuschauen und zu benennen. Man kann sie nicht einfach ignorieren oder leugnen, aber sie sollen die Zukunft nicht verdunkeln. Der Kreislauf des Hasses und der Gewalt muss endlich durchbrochen und beendet werden. Gerade hier, an diesem Ort, möchte ich Ihnen allen zurufen: Jeder Misshandelte, jeder Ermordete, egal auf welcher Seite, ist einer zu viel!
So wollen wir jetzt unserer Toten gedenken und wollen uns in Ehrfurcht vor ihnen verneigen. Ich bitte um einige Minuten der Stille.
Das Postelberger Massaker – ein Beispiel für die Erniedrigung des Menschen
Von Michal Pehr, PhD | Rede zur Enthüllung der Gedenktafel für die unschuldigen Opfer von Postelberg am 6. Juni 2010
Ihre Exzellenz , sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
es ist mir eine Ehre, bei dieser Veranstaltung zu reden. Wir treffen uns hier zur Enthüllung eines Denkmals für die unschuldigen Opfer des Postelberger Massakers im Frühjahr und Sommer 1945. Ich wünsche mir, dass dieses Denkmal für ganz Postelberg zum Symbol für die Verurteilung des Bösen und der Hinwendung zum Guten wird. Wenn ich von der Verurteilung des Bösen spreche, denke ich hauptsächlich an den Krieg – den Zweiten Weltkrieg. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die – im Geist von Clausewitz – den Krieg nur für eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mittel halten. Ich aber gehöre zu den Menschen, die den Krieg und alles, was damit verbunden ist, radikal ablehnen, und neige zur Meinung des tschechoslowakischen Außenministers Jan Masaryk, der einmal folgendes sagte: „Es könnte sehr schön sein auf der Welt, wenn es keine Kriege gäbe. Aber in jedem von uns ist etwas Böses. Im Krieg kommt all das Böse an die Oberfläche. Wenn Frieden ist, können die Lehrer, Mütter und andere Engel vieles tun, um das Böse aus uns zu vertreiben. Aber dann kommt der Krieg und macht Tiere aus uns. Vor allem deshalb hasse ich den Krieg. Nicht nur für all das Morden, sondern für diese Erniedrigung des Menschen.“
Das Postelberger Massaker ist ein Beispiel für diese Erniedrigung. Die Menschen heute fragen: Wie konnte es dazu kommen? Es wurden mehr als 763 Bürger erschossen, nur weil sie Deutsche waren? Warum wurde Postelberg zum Ort des größten Massakers an der deutschen Zivilbevölkerung? Was ist hier eigentlich passiert?
Die Antwort auf die Frage, was passiert ist in der Nachkriegstschechoslowakei, müssen wir tatsächlich in den Kriegsereignissen suchen. Sechs schreckliche Kriegsjahre gebaren eine neue Zeit. Das Land war befreit von den Besatzern, und die Bevölkerung war voller Ideale und hoffte auf ein besseres Morgen. Die Freude über das Ende des Krieges, aber auch das Trauma des Krieges – das war vielleicht das Gefühl, das unsere Gesellschaft am stärksten beherrschte. Václav Černý [ein tschechischer Literaturforscher und Übersetzer, Anm. d. Red.] beschrieb diese Zeit als einen vergeblichen Kampf mit Dämonen.
Auf der einen Seite herrschte große Begeisterung, auf der anderen Seite Anarchie und Durcheinander. Das ist aber verständlich. Nach sechs Jahren kam es zu einem Ausgleich der Konten. Diese besondere Art von tschechoslowakischer Revolution beruht darauf, dass wir ein kleines Volk sind, das sich der Vernichtung gegenüber sah und lange warten musste, bis es sich wehren konnte. Die Menschen waren wie betrunken von Freiheit, voll Euphorie und Begeisterung. Es kam zu der sogenannten „nationalen Säuberung“ oder, wenn Sie so wollen, Abrechnung mit der Vergangenheit, einem immer wiederkehrenden Phänomen der böhmischen Geschichte. Es wurde getanzt und alle waren voller Lebenslust. Der Krieg ist vorbei, wir sind frei, und nun beginnt die glückliche Zeit, in der wir eine neue Tschechoslowakei aufbauen können, eine Zeit der Hoffnungen, Pläne und Wünsche. Alle versuchten, schnellstmöglich unseren Staat wiederherzustellen. Vielleicht am besten hat diese merkwürdige Zeit der tschechische Historiker Professor Josef Šusta beschrieben, der kurz vor seinem Selbstmord im Mai 1945 zu einen Freund sagte: „Was ist los mit dem Menschen? Vor unserem Fenster steht ein russischer Panzer. Mädchen umringen die Russen. Auch meine Enkelin ist darunter. Eine Harmonika spielt, und die Jugend hat Spaß und tanzt. Zwischen ihnen liegen vier Körper von toten Deutschen. Sie liegen da wie Semmeln und stören die Tanzenden nicht. Ich hätte nicht geglaubt, dass dies möglich ist, hätte ich es nicht selbst gesehen.“
Bei aller Euphorie wuchs unterschwellig eine Atmosphäre aus Furcht und Angst, geboren aus einem entfesselten „revolutionären“ Ungeist und unzähligen, oft drastischen Aktionen des Pöbels. Im Namen einer schnellen „nationalen Säuberung“ kam es zu großen Übergriffen. Es wurden persönliche Rechnungen beglichen, wobei jeder jeden der Kollaboration oder anderer Taten beschuldigte. Es wurde eine Lawine von Denunziationen, Anfeindungen, Verleumdungen und Racheakten losgetreten. „All das triebhaft Böse, Wut und Begierde, kamen zum Ausbruch“, schrieb Václav Černý. Der Mob nutzte die Gelegenheit, und unsere wiederhergestellte Staatsmacht hat sich leider von diesen bösen Taten nicht distanziert, sondern von ihnen im Gegenteil oftmals bewusst profitiert. Damals wurde eine finstere Schicksalsregel unserer Nation geboren: „Dem Mob an jeder Kreuzung unterliegen.“
Typisch dafür war das Wirken der Revolutionsgarden, die dem Schutz des Volkseigentums und der Sicherheit dienen sollten, sich aber in der Wirklichkeit oft selbst am Plündern und Rauben beteiligten (weshalb sie auch „Raubgarden“ genannt wurden). Auch waren sie für die Misshandlung und Ermordung gefangener deutschen Soldaten und Zivilisten sowie wirklicher oder vermeintlicher Kollaborateuren mit verantwortlich. Diese Garden bestanden überwiegend nicht aus aktiven Widerstandskämpfern der Besatzungszeit, sondern eher aus Revolutionären „der letzten Stunde“, von denen manche noch einige Wochen zuvor für Rum und Zigaretten auf Sonderschicht in die Fabrik gegangen waren und fleißig für die deutsche Kriegsindustrie gearbeitet hatten.
In dieser merkwürdigen Zeit kam es, neben anderen Taten, auch zum Postelberger Massaker. In Namen der „nationalen Säuberung“, aus Neid und Gier nach Eigentum, aber auch unter der Losung „toter Deutscher guter Deutscher“ kam es zum sinnlosen Morden, dessen Erwähnung nach der Ernüchterung aus der Nachkriegseuphorie zum absoluten Tabu wurde. Diese Ereignisse passten nämlich nicht in das allgemeine Geschichtsbild von einem Land, das unter nazistischem Terror und Fremdherrschaft gelitten hatte. Viele Jahre wurde über dieses grauenvolle Thema nicht geredet. Aber man ahnte davon, und nach zwei Jahren, im Jahr 1947, kam es zur Exhumierung der sterblichen Überreste der Hingerichteten. Trotzdem wurde, eine lange Reihe von Jahre, weiter geschwiegen. Ich bin froh, dass sich über all das Stillschweigen hinweg Menschen gefunden haben, die den Mut hatten, dieses Thema aufzugreifen. Es war nicht leicht. Es ist aber notwendig, auch an Unangenehmes zu erinnern und für die Wahrheit zu kämpfen, wie unangenehm sie auch sei. Dieses Mahnmal kann so nicht nur zu einem Platz werden, an den die Nachfahren und Hinterbliebenen kommen können, sondern auch zum Symbol dafür, wie gefährlich und schlimm der Krieg ist. Ich glaube fest, dass dieses Mahnmal seinen Sinn hat und noch lange an diese traurigen Augenblicke unserer Nachkriegsgeschichte erinnern wird.
Übersetzung Otokar Löbl | Dr. Andreas Kalckhoff
Eine Gedenktafel für die Opfer von Postelberg
Am Fronleichnamstag wird die nordtschechische Stadt Postoloprty in einem Festakt an die ermordeten Deutschen erinnern
Am 3. Juni 2010 um 17.00 Uhr wird auf dem Friedhof von Postoloprty, dem ehemals deutschen Postelberg, eine Gedenkplatte zur Erinnerung an die Morde in Postelberg und Umgebung nach dem Kriege enthüllt werden. Über 800 sudetendeutsche Zivilisten, zumeist Männer aus Saaz (Žatec), darunter auch Kinder, wurden im Juni 1945 in einer Postelberger Kaserne umgebracht, weitere Morde geschahen im Umland. Insgesamt gab es an die 2.000 Tote. Die Gedenkstätte wurde 2009 vom Postelberger Stadtrat beschlossen. Die Gedenktafel wird in Tschechisch und Deutsch die Aufschrift tragen: „Den unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postelberg im Juni 1945“.
Das Massaker wurde bereits 1947 von einer tschechischen Kommission untersucht, die Schuldigen ermittelt. Die Behörden hielten das Ergebnis jedoch geheim, die nach der Vertreibung der Sudetendeutschen neu angesiedelte tschechische Bevölkerung erfuhr davon nichts. Die Untersuchung hatte auch keine strafrechtlichen Folgen. Die Täter sind mittlerweile tot. Die kommunistischen Machthaber zeigten kein Interesse an der historischen Wahrheit.
Aber auch nach der „samtenen Revolution“ von 1989 dauerte es einige Zeit, bis die mittlerweile zugänglichen Akten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden. Das Verdienst daran gebührt nicht zuletzt dem Vorsitzenden des deutschen „Fördervereins der Stadt Saaz/ Žatec“, Otokar Löbl, und einer Prager Theatertruppe unter Leitung von Miroslav Bambušek, einem Mitglied der Bürgervereinigung „Mezery“ (Lücken). Bambušek schrieb einen dramatischen Text über die Ereignisse in Postelberg 1939-1945. Im September 2005 wurde die szenische Lesung „Porta Apostolorum“, in der aus den Untersuchungsprotokollen zitiert wird, in Prag uraufgeführt. Mittlerweile war das Dokumentarstück auch in Deutschland zu sehen.
Dass es jetzt zur Anbringung einer Gedenktafel auf dem Postelberger Friedhof kommt, ist ebenfalls dem „Förderverein“ zu verdanken. Seit seiner Gründung 2003 bemühte er sich um ein dauerhaftes Gedenken an die Ermordeten vom Juni 1945 am Ort des Geschehens. In zähen Verhandlungen überzeugten Otokar Löbl und Uta Reiff, Vorsitzende des „Heimatkreises Saaz“, den Stadtrat schließlich von diesem Projekt. Während Löbl im Fachausschuss des Stadtrats für ein Denkmal plädierte, bot der „Heimatkreis“ an, die Kosten zu tragen. Doch die Stadt Postelberg übernahm am Ende auch die Finanzierung. Dafür behielt sie die Hoheit über Text und Gestaltung der Gedenktafel.
Peter Klepsch (Telefon 09175-247), Mitglied des „Fördervereins“ und ein Überlebender von Postelberg, wird für den 3.-4. Juni 2010 eine Busfahrt nach Saaz und Postelberg organisieren. Auskünfte zur Veranstaltung geben auch Otokar Löbl (069-7892817) und Uta Reiff (Telefon 09621-429744).
Die Delegation bestand aus Vertretern des deutschen „Fördervereins der Stadt Saaz/ Žatec“, der tschechischen „Landsleute und Freunde der Stadt Žatec“ und der Jüdischen Gemeinde Teplitz (Teplice), die heute für Saaz zuständig ist. Das Projekt „Juden in Saaz“ will der tschechischen Öffentlichkeit, insbesondere aber der Jugend von Saaz das weitgehend unbekannte Leben und Schicksal der Juden von Saaz und des Saazerlands nahebringen. Dazu erklärte Otokar Löbl, Vorsitzender des deutschen „Fördervereins“ und Initiator des Projekts: „Mit der Dokumentation des jüdischen Lebens in Saaz vor dem Zweiten Weltkrieg mit Hilfe von Archivmaterialien und Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt und in Israel eine neue Heimat gefunden haben, wollen wir konkrete Menschen vorstellen, die in Saaz wohnten und am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Stadt teilhatten. Dies kann auch gegen den zwar schwachen und verdeckten, aber immer noch gegenwärtigen Antisemitismus helfen.“ Löbl setzt sich außerdem für die Restaurierung und Erhaltung der materiellen Spuren der Juden in Saaz ein, wozu vor allem der jüdische Friedhof und die berühmte Synagoge zählen. Die Befragung der Zeitzeugen wurde zu einem bewegenden Moment. Die heute achtzig- und neunzigjährigen Israelis bekamen leuchtende Augen, als sie über ihre Jugend in Saaz berichteten. „Es war das erste Mal, daß sie Besuch aus ihrer alten Heimat bekamen, abgesehen von Verwandten“ sagte Otokar Löbl. Unterstützung erhielt die Delegation auch vom tschechischen Botschafter in Israel: „Herr Tomas Pojar begrüßte unsere Aktivitäten und bot uns Hilfe und Zusammenarbeit an“, erklärte der Vorsitzende der „Landsleute und Freunde“, Petr Šimáček. „Dank seiner Hilfe konnten wir einige ehemaligen Saazer und israelische Militärveteranen besuchen, über deren Aussagen und Erinnerungen wir einen Dokumentarfilm gedreht haben.“ Der Vorsitzende der jüdische Gemeinde Teplitz, Oldřich Latal, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Reise: „Das Projekt des Fördervereins deckt sich mit den Bestrebungen unserer Gemeinde maximal. Nicht nur, daß wir die Schicksale von Menschen aus dem Saazer Land dokumentieren und so für die Zukunft unschätzbare Informationen retten konnten, sondern wir haben diesen Menschen mit der Erinnerung an ihr früheres Leben auch eine große Freude gemacht. Diese Mission wurde von Herrn Löbl hervorragend vorbereitet und ist ein Meilenstein für unsere weitere Zusammenarbeit.“ Video zur Zeitzeugenbefragung in Israel: (Saaz 15. März 2010) Im Rahmen einer Pressekonferenz auf dem Jüdischen Friedhof in Saaz hat der Förderverein der Stadt Saaz | Žatec zusammen mit der Jüdischen Gemeinde Teplitz-Schönau das Projekt „Die Juden von Saaz“ offiziell vorgestellt. Teilgenommen haben außer zahlreichen Journalisten und Vertreter des Ersten Tschechischen Fernsehens auch der Bürgermeister von Saaz, Herr Knoblauch, der Direktor des Saazer Regionalmuseums, Herr Jiří, sowie Bürger der Stadt. In einer Sendung des regionalen TV-Programms OK berichtete David Vondraček vor kurzem auch über andere Aktivitäten des Fördervereins, insbesondere über das Projekt „Versöhnung durch Wahrheit“, das sich mit dem Massaker von Postelberg beschäftigt, bei dem kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs viele hundert deutsche Mitbürger umkamen. Demnächst wird diese Sendung auch vom Ersten Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt werden. Gedenken in Böhmen an internierte und getötete Deutsche Von Klaus Peter Schwarz | Frankfurter Allgemeine Zeitung 6. November 2009 Mitte der neunziger Jahre wurde ein auf Antrag des Schriftstellers Ludvík Vaculik eingeleitetes Verfahren „mangels Zeugen“ eingestellt. Deutsche, die das Massaker überlebt und sich dem Gericht als Zeugen angeboten hatten, wurden nicht angehört, da man ihnen eine „verzerrte Wahrnehmung“ unterstellte. Zuletzt wurden die Vorfälle neuerlich von der Polizei untersucht, die im Juni einen tschechischen Soldaten und einen Polizeioffizier für das Massaker verantwortlich machte. Beide sind verstorben. Die Errichtung des Denkmals in Postelberg ist ein großer Erfolg des in Frankfurt ansässigen Fördervereins der Stadt Saaz/Zatec, der sich seit Jahren dafür einsetzt. Unter anderem hat der Förderverein eine Wanderausstellung zu den Vorgängen in Postelberg zusammengestellt, die in mehreren böhmischen Städten gezeigt wurde. Der Vorsitzende des Vereins, Otokar Löbl, hatte auch den Antrag an den Stadtrat formuliert, der jetzt in leicht modifizierter Form angenommen wurde. Wie Radio Prag am Abend des 4. November 2009 berichtete, haben die Gemeindevertreter am späten Nachmittag beschlossen, „allen unschuldigen Opfern“ des Juni 1945 ein Denkmal zu errichten. Dazu wird ein Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. In Postelberg|Postoloprty waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Sudetendeutsche aus Saaz und anderen nordböhmischen Orten interniert worden. Dabei wurden im Mai und Juni 1945 eine große Anzahl unschuldiger Menschen ermordet, darunter auch Kinder. Die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt. Wie Radio Prag berichtete, gehen Schätzungen jedoch von 800 bis 3000 Toten aus. 1947 wurden 763 Körper aus Massengräbern exhumiert, das kommunistische Regime hat das Massaker jedoch verschwiegen. Die traurigen Ereignisse sind heute gut dokumentiert und durch eine Ausstellung der tschechischen Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Dem Beschluss war eine Stadtverordnetenversammlung am 22. Oktober vorausgegangen, in der eine sechsköpfige Expertenkommission zu einem entsprechender Antrag des „Fördervereins für die Stadt Saaz|Zatec“ gehört wurde. Der Vorsitzende des deutschen Vereins, Otokar Löbl, hatte dabei Gelegenheit, den Antrag zu erläutern und anschließend auch der nationalen tschechischen Presse vorzustellen. Diesen Antrag hat sich der Stadtrat jetzt in leicht modifizierter Form zu Eigen gemacht. Das Denkmal soll auf dem örtlichen Friedhof errichtet werden und die zweisprachige Inschrift tragen: „Allen unschuldigen Opfern der Postelberger Ereignisse von Mai und Juni 1945“. Die Kosten trägt die Stadt Postelberg. Der Beschluss der Stadt Postelberg wird von dem Förderverein der Stadt Saaz|Žatec begrüßt.
Deutsch-tschechische Delegation besucht ehemalige Saazer in Israel
Frankfurt am Main / Tel Aviv – Ende März 2010 besuchte eine deutsch-tschechische Delegation ehemalige Saazer Bürger, die den Holocaust überlebt und danach in Israel eine neue Heimat gefunden haben. Die Befragung dieser Zeitzeugen wird Teil einer Dokumentation des deutsch-jüdischen Lebens in Saaz vor dem Zweiten Weltkrieg sein, die in einer Saazer Ausstellung präsentiert werden soll. Dabei wird auch die tschechische Hilfe für den jungen Staat Israel dokumentiert werden, die über den Saazer Militärflughafen abgewickelt wurde und zur Gründung des jüdischen Staates beitrug. Dazu konnte die Delegation weitere Zeitzeugen befragen. Die israelischen Medien berichteten in diesem Zusammenhang auch über Saaz (Žatec) und Teplitz-Schönau (Teplice v Čechach) als touristische Ziele.
Die Juden in Saaz – Vorstellung des Projektes
Postelberg errichtet Denkmal
Die nordböhmische Stadt Postelberg (Postoloprty) errichtet den Opfern eines der schlimmsten Nachkriegsverbrechen ein Denkmal. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Stadtrat auf der Grundlage der Empfehlung einer Expertenkommission, der Tschechen, Deutsche und Vertreter der jüdischen Gemeinde angehörten. Die tschechische und deutsche Inschrift soll lauten: „Allen unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postelberg im Mai und Juni 1945“. Damals hatte eine Einheit der 1. tschechoslowakischen Division im Zuge der Erfüllung des Befehles, „das Terrain von feindlichen Elementen zu säubern“, die Deutschen in Kasernen und in einem früheren deutschen Internierungslager in Postelberg konzentriert, unter ihnen 5000 Männer aus Zatec (Saaz). Dort wurden sie ausgepeitscht und gefoltert, es gab öffentliche Hinrichtungen. 1947 wurden aus Massengräbern 763 Skelette exhumiert, darunter die von fünf Frauen, und in Krematorien verbrannt. Eine parlamentarische Kommission untersuchte die Vorgänge unter strengster Geheimhaltung, verzichtete unter Berufung auf das Straffreistellungsgesetz für Vertreibungsverbrechen jedoch auf die Einleitung von Strafverfahren.
Denkmal für die ermordeten Deutschen in Postelberg
Stadtrat im nordböhmischen Postelberg folgt der Empfehlung einer Expertenkommission